„Tannhäuser“ – 27. März 2022 (Premiere)

Erlösung, Teil 3 brachte uns nach Wuppertal und schloß irgendwie den Kreis von Marschner zu Wagner, auch wenn es „Tannhäuser“ und nicht „Holländer“ gab.

Der Abend begann u.a. mit einer Ansage für den CHOR, der aus Krankheitsgründen wohl stark dezimiert war. Was OPERNCHOR und EXTRACHOR unter der Leitung von Ulrich ZIPPELIUS in dieser Form an gesanglicher Macht und Schönklang auf die Bühne brachten -und wie auch immer sie das gemacht haben – war grandios.

Natürlich war dies auch der Abend von Norbert ERNST. Zweimal war diese Premiere verschoben worden, und nun endlich durfte man seinen Tannhäuser hören. Was man hörte, war noch einmal ein Quantensprung zum Kieler Paul, der nächste Schritt in der stimmlichen Entwicklung, ohne daß die Schönheit der Stimme, die meisterliche Phrasierung oder die stets ganz natürlich wirkende Rolleninterpretation darunter gelitten hätten. Hier stand ein Wagnertenor auf der Bühne – einer, der es versteht, sich die Kraft so klug einzuteilen, daß die Romerzählung ebenso auf den Punkt klingt und schön gestaltet wird wie Tannhäusers Venus-Lobpreisung zu Beginn.

Julie ADAMS vermochte stimmlich auch zu überzeugen. Sie besitzt die nötige Kraft, die Partie der Elisabeth problemlos zu durchmessen, allerdings wirkte die Figur distanziert, stellenweise recht kühl und ohne Überschwang. Möglicherweise lag dies an der Regie und der entsprechenden Einordnung der Figur in den Gesamtkontext.

Die andere Frau in Tannhäusers Leben erwies sich als beeindruckend gelenkig. Wenn Allison COOK singt, kommen dem Zuhörer einige Wagner- und Strauss-Partien in den Sinn, zumal die Sängerin über eine schöne, warme Tiefe verfügt. Venus ist da sicherlich eher ein Zwischenstop.

Simon STRICKER brachte als Wolfram ein achtbares Rollendebüt auf die Bühne. Vieles wird sich mit wachsender Erfahrung finden und so aus dem blitzsauberen Gesangsinterpretation mit starken Liedanklängen eine lebendige Figur machen.

Im Sängerkrieg überzeugten insbesondere Sangmin JEON als Walther im K-Pop-Stil und mit begeisterten Groupies und Sebastian CAMPIONE als Biterolf mit Smartphone und Muttersöhnchen-Attitüde. John HEUZENROEDER (Heinrich) und Timothy EDLIN (Reinmar von Zweter – gekonnt an der E-Gitarre als Biterolf-Begleitung) ergänzten als Teil des großen Feier-Gewusels. Gudio JENTJENS klang als Landgraf über weite Strecken gefährdet.

Patrick HAHN hatte bei seinem Operneinstand in Wuppertal das Glück eines kongenialen Orchesters. Seine Leitung des Abends erwies sich als recht uninspiriert und leidenschaftslos, doch das SINFONIEORCHESTER WUPPERTAL ließ mit seiner exzellenten musikalischen Leistung und seinem homogen Klang diese Makel (fast) verschmerzen.

„Zuviel, zuviel“ möchte man mit Tannhäuser zur Regie des Abends sagen. Gern hätte man verstanden, wo Nuran David CALIS mit seiner Inszenierung hinwollte, und in welchem Kontext seine Ideen zum Stück standen. An diesem Abend mochte sich das einfach nicht erschließen. Am besten und intensivsten gelang die Umsetzung des dritten Aktes, wobei unklar blieb wieviel davon Regie war und was von den einzelnen Sängern kam.

Das Bühnenbild von Anne EHRLICH war im ersten Akt an Trutschigkeit nicht zu überbieten, aber vielleicht sehen entsprechende Etablissements in Köln immer noch so 80er aus. Auch später sah man wenig Interessantes. Die überflüssigen Videoleinwände versperrten zumindest aus dem ersten Rang zum Teil den Blick. Die Kostüme von Anna SÜNKEL fügten sich nahtlos ein, während die Choreografie (Matteo Marziano GRAZIANO) des Venusberggefolges etwas von Zumba-Kurs in der Provinz hatte.

Dieser „Tannhäuser“ war in erster Linie ein musikalisches Erlebnis, und zwar eines, das man nicht missen möchte. AHS