Der Zufall hatte mich an diesem Wochenende nach Wuppertal geführt, und im Nachhinein wäre es ausgesprochen schade gewesen, wenn ich dieses Konzert verpaßt hätte.
Der große Saal der Historischen Stadthalle spiegelt mit seiner Ausgestaltung den Stolz der Elberfelder Bürger wider, sich ein solche Festhalle zum Ende des 19. Jahrhunderts auf den Johannisberg zu stellen. Die aktuelle Nutzung ist vielfältig. Sie reicht von Messen und Empfängen bis hin zu den Sinfoniekonzerten. Der Saal wird für eine hervorragenden Akustik gerühmt, unproblematisch ist diese aber nicht, was sich an diesem Abend beim Chor zeigte.
Das 3. Chorkonzert – überschrieben mit „Der Teufel singt Tango“ – erwies sich in zweifacher Hinsicht als ambitioniert. Zum einen gab GMD Patrick HAHN zu Beginn des Abends eine Erklärung darüber ab, weshalb man sich entschieden hatte, das geplante Programm mit Werken dreier sowjetischer bzw. sowjetischstämmiger Komponisten so zu belassen, wie es von Anfang geplant war. In welchen Zeiten wir doch leben…
Zum anderen bot man mit diesem Programm aus Werken von Mossolow, Schnittke und Schostakowitsch eine musikalische Welt, die durchaus ihre Liebhaber hat, das Publikum den Saal zwar gut füllen, aber nicht unbedingt stürmen ließ.
Alexander Mossolows „Die Eisengießerei“ ist nicht länger als drei Minuten, verlangt dem Klangkörper in dieser kurzen Zeit aber auf den Punkt gebrachte Leistung ab. Das SINFONIEORCHESTER WUPPERTAL gelang unter der Leitung von Patrick Hahn die Schaffung eines perfekten Klangbildes so umfänglich, daß man Lärm, Hitze und Licht der Gießerei beinahe körperlich wahrnahm. Ein vielversprechender Anfang.
Ebenso gelungen war die Aufführung der Faust-Kantate „Seid nüchtern und wachet“ von Alfred Schnittke. Man hörte eine perfekte Symbiose der Gesangssolisten, dem Chor und der genreübergreifenden Orchesterbesetzung. Der Teufel sang hier tatsächlich Tango, und es war ein ausgesprochenes Vergnügen, dem zuzuhören.
David HANSEN und Iva BITTOVÁ brachten die Doppelgesichtigkeit des Teufels ebenso perfekt auf den Punkt wie sie die vokalen Ansprüche ihres jeweiligen Teils der Partie virtuos meisterten. Kurt RYDL sang die Momente des Doctor Fausti erstaunlich baßgewaltig. Dem Erzähler als verbindendem Element verlieh Nobert ERNST ausgeprägt klangschön Gestalt.
Der Wuppertaler OPERNCHOR, unterstützt vom Kammerchor AMICI DEL CANTO, hatte mit seinem Platz zwischen Orchester und Orgel zumindest für die vordere Hälfte der Parkettreihen eine akustisch ungünstige Position, hörte man ihn hier stellenweise nur recht verwaschen und undeutlich.
Die nach der Pause folgende Aufführung der Sinfonie Nr. 5 von Dmitri Schostakowitsch bot viel an orchestralem Glanz und Virtuosität, was am Ende auch verdient die Begeisterungsstürme des Wuppertaler Publikums auslöste. Mir fehlte es an einer penibleren Ausarbeitung der Anklänge an Folklore und Musiktradition, die sich in Schostakowitschs Werken und insbesondere in diesem immer wieder finden. Diese Feinheiten hätten vielleicht noch stärker in den Vordergrund treten müssen, um den Kontrast zum stetig aufkommenden und am Ende beherrschenden (Über-) Pathos deutlicher zu machen.
In Wuppertal hat man sich zum Neustart musikalisch viel auf die Fahnen geschrieben. Es steht zu hoffen, daß das nicht nur so bleibt, sondern vom Publikum auch weiterhin begeistert mitgetragen wird. AHS