„Don Pasquale“ – 28. Januar 2024

Irgendwie stand Turin niemals auf meiner Liste von Städten, die man sich einmal angucken könnte. Das war ein Fehler. Die Stadt ist wirklich sehenswert, die Anzahl von besichtigungswürdigen Museen beeindruckend (alleine vier Museen im Palazzo reale, dazu das zweitgrößte ägyptische Museum der Welt, und noch viele mehr), und vom Nougat, was dort erfunden wurde, will ich gar nicht erst anfangen…

Das Teatro Regio ist ein moderner, aber sehr interessanter Bau mit einem sehr großen Parkett, einem Logenrang und rötlichem Holzboden. Zumindest auf meinem Platz (Parkett vorne seitlich) war die Akustik exzellent.

Die Inszenierung stammt aus dem Jahre 1988 von Ugo GREGORETTI. Sie was Bühnenbild und Kostüme (Riccardino MASSA) und Statisterie angeht verschwenderisch zu nennen, wäre noch untertrieben. Ich kann mich nicht erinnern, jemals eine Produktion gesehen zu haben, die nach dem Beginn meiner regelmäßigen Opernbesuche entstanden ist, die ein so aufwendiges, aber sehr klassisches Bühnenbild, so detailreiche und kleidsame Kostüme und so viel gut geführtes Statisterietreiben auf die Bühne gebracht hat. Manchmal fühlt man sich fast überfahren, weil man gar nicht weiß, wohin man schauen soll, um nichts zu verpassen.

Es gibt im Hintergrund eine Kirche, vorne die Häuser von Pasquale bzw. Norina, davor einen Kanal mit Schleuse und beweglicher Brücke, im Hintergrund kam man Rom sehen. Es wuseln neben Wäscherinnen, ein Pfarrer, der beim Almosensammeln in die Kollekte greift, diebische Straßenkinder und ein Maler, der die Figuren porträtiert, herum. Das Ganze wurde von Eugenio GIUGLIELMINETTI sehr präzise neu einstudiert.

Auch musikalisch konnte sich der Nachmittag mehr als hören lassen.

Es mag möglich sein, Norinas Koloraturen noch virtuoser zu singen, die Figur besser zu verkörpern, als dies Francesca Pia VITALE tut, ist nicht vorstellbar. Da ist alles vorhanden, gesangliche Sicherheit, Spontaneität, eine überaus rollendeckende Erscheinung sowie die Fähigkeit mit der Stimme und im Spiel ansatzlos zwischen selbstbewußter Frau, naiver Klosterschülerin und Furie hin- und herzuwechseln. Ihr Ernesto Matteo FALCIER spielte den Typus „bißchen doof, aber niedlich“ sehr hingebungsvoll und ließ eine schöne Tenorstimme hören, die mit Geschmack und guter Phrasierung eingesetzt wurde. Franco RIZZO ergänzte als durchaus präsenter falscher Notar.

Lucio GALLO in der Titelrolle weiß wie kaum ein anderer Sänger, wie man im schnellen parlando immer noch textverständlich bleibt. Dazu kommen dramatische Ausbrüche und ein Spielen mit dem Text. Hier stellte er hingebungsvoll und glaubwürdig einen alten Zausel dar, bei dem Selbst- und Fremdwahrnehmung weit auseinanderfallen, um dann plötzlich nach Norinas Ohrfeige fast zu Tränen zu rühren.

Als Malatesta war Vinzenzo NIZZARDO zu hören, der sich als Drahtzieher der Intrige gut profilieren konnte. Er ließ einen gut geführten Bariton hören, der an keine Grenzen stieß, und ließ als Figur nie vergessen, wer die Fäden in der Hand hat. Beide brannten in ihrem Duett ein stimmliches Feuerwerk ab, was dann vor den Orchestergraben ins Publikum verlegt wurde inklusive Einbeziehung des Dirigenten. Ein schöner Einfall war, die Souffleuse (Jeong Un KIM) hier einfach aufgebend samt Noten aus dem Kasten steigen und kopfschüttelnd abgehen zu lassen.

Am Pult des sehr munter und animiert aufspielenden ORCHESTRA TEATRO REGIO TORINO sorgte Alessandro DE MARCHI für viel Schwung und hörbaren Spaß an der Partitur. Das Lächeln, was die ganze Vorstellung lang auf seinem Gesicht zu sehen war, hörte man förmlich auch beim Dirigieren.

Der CORO TEATRO REGIO TORINO unter der Leitung von Ulisse TRABACCHIO war ebenfalls ohne Fehl und Tadel und großer Spielfreude dabei. MK