Wie ist so jemand, der in Bayreuth singt, dieses Jahr dort der Premieren-Tristan war, aber auch im italienischen und französischen Fach zuhause ist? Erfrischend normal, wie wir an einem Mittwochnachmittag zwischen den „Pique Dame“-Vorstellungen an der Hamburgischen Staatsoper feststellten.
Robert Dean SMITH hat sich in den vergangenen Jahren ein sehr umfangreiches Repertoire erarbeitet. Doch wie ist er eigentlich zur Musik gekommen? „Ich bin mit den Beatles aufgewachsen. Irgendwann habe ich Saxophon gelernt, und mit ein wenig Klavier, Gesang und Gitarre bin ich aufgewachsen.“ Als die Entscheidung anstand, auf ein College zu gehen, entschied er sich für die Musik. „Ich dachte mir, Musik mache ich am besten und am liebsten.“ Hauptfächer waren Saxophon und Gesang, wobei er sich nach zwei Jahren endgültig für den Gesang entschied.
„Mit siebzehn oder achtzehn habe ich überhaupt meine allererste Oper gehört.“ („Der Schauspieldirektor“ zusammen mit „Gianni Schicchi“) „Das war eine ganz neue Welt für mich, und ich dachte, das muß es sein.“, schwärmt der in Kansas geborene und aufgewachsene Sänger. „Seitdem wußte ich, daß ich singen und irgend etwas mit Musik zu tun haben wollte.“
Begonnen hat Robert Dean Smith seine Karriere als Bariton. Vermißt er die z.T. ausgefeilteren Rollen/Charaktere dieser Stimmlage in seinem jetzigen Fach? „Es gibt auch einige Rollen im Tenorfach, die nicht so angenehm sind.“ Als Beispiel nennt er hier Hermann aus „Pique Dame“. „Ich war eher ein lyrischer Bariton und habe die Möchtegernliebhaber oder die Witzfiguren gesungen. Manche Baritonpartien sind in ihren Charakterzügen sicherlich eindringlicher schattiert als manche Tenorrollen, aber das sind nur ein paar. Tenorrollen sind immer Liebhaber oder heroische, dramatische Figuren.“
Wie nähert man sich einer so eigenwilligen Figur wie Hermann? Wie erarbeitet sich Robert Dean Smith neue Partien generell? „Es hängt davon ab, ob es ein sehr bekanntes Werk ist, das ich bereits von Aufnahmen im Ohr habe. Wenn ich ein Stück schon so gut kenne, dann kann ich mit Text und Musik gemeinsam arbeiten. Wenn es ein neues Werk oder eine Uraufführung ist, dann muß ich schon zwischen beidem trennen.“ In diesem Zusammenhang erzählt er von Kodalys „Psalmus Hungaricus“, das er im Dezember 2006 in Amsterdam singen wird.
Bei Wagnerwerken und zum Thema Mozart könne man sich wahnsinnig tief in Sekundärliteratur versenken. Da müsse man aussuchen, was man dazu lesen wolle. Grundsätzlich versuche er, soviel wie seine Zeit ihm ermögliche, zu den Werken zu lesen (Puschkin zu „Pique Dame“ oder versuchsweise den „Zauberberg“ zum Thomas Mann-Konzert demnächst in der Hamburger Musikhalle).
Auf die Libretti Richard Wagners angesprochen, erzählt der Tenor, daß er während seiner Studienzeit nicht wußte, was Deutsch für den täglichen Gebrauch und was uraltes Deutsch sei. „Diese Werke habe ich immer mit Partituren gelesen und gehört. Diese Musik hat mich fasziniert, und ich wußte nicht, was für ein Deutsch das war. Vielleicht fällt es mir dadurch leichter, diese Texte zu lernen.“
Wie lernt ein Nicht-Muttersprachler die Wagnerischen Stabreime? Robert Dean Smith führt als Beispiel Stolzings Preislied an. „Da muß man wirklich eine Geschichte erzählen. Wenn man eine Geschichte erzählt, dann hat man Stationen, und man muß nicht soviel darüber nachdenken, wie heißt das jetzt richtig.“
Es mache ihm nichts aus, in Deutschland als Wagnertenor zu gelten und hauptsächlich in diesen Partien besetzt zu werden.. „Gott sei Dank, ist es Wagner.“ Er singt Wagner sehr gern. Außerdem sei es doch recht selten, daß Sänger heutzutage an den großen Häusern ein breitgefächertes Repertoire singen dürften. „Aber ich habe schon ab und zu die Möglichkeit anderes zu singen. Italienisches oder französisches Fach, und es kommen immer mehr Angebote von den Theatern.“ Die Freude über diese große Nachfrage sieht man ihm an, wenn er strahlend erzählt, daß diese mittlerweile auch von südlich der Alpen kommt.
Ein großer Vorteil ist hier sicherlich auch die stets ausgezeichnete Sprachbehandlung des Tenors. Ist dies eine Begabung? „Zum Teil vielleicht, aber ich übe, und ich habe sehr gute Lehrer gehabt. Durch das Studieren der Sprache hat man einen Klang im Ohr. Den versuche ich, mir zu Eigen zu machen.“ Am schwierigsten empfand er, der derzeit auf Deutsch, Italienisch, Französisch und Russisch singt, Tschechisch.
Hat er Lampenfieber? „Ja, aber eine gesunde Portion. Es ist mehr, wenn ich nicht hundertprozentig gesund bin, oder beim Einspringen in allerletzter Sekunde. Am meisten habe ich Lampenfieber, wenn ich für mich selbst die Erwartungen sehr hochstecke, doch das ist eine andere Art von Lampenfieber. Ich will das erreichen, was ich geprobt habe.“ Gelinge ihm das nicht, sei das eine Motivation für die nächste Vorstellung. „Ich mag Herausforderungen. Dann arbeite ich sehr viel daran, und das macht Spaß.“
Generell ist ihm wichtig, daß auf der Bühne eine Geschichte erzählt werde, das könne im modernen Gewand sein oder in der klassischen Variante. „Das Problem für mich ist, wenn keine Geschichte erzählt wird. Es sind nur Bilder. Man könnte vom Geschirrspülen singen. Da ist keine Beziehung von Aktion, Regie oder Text“, sagt er und ergänzt, „Da sitzt ein Publikum. Ich singe für die, die da sitzen.“
„Als Interpret von Stücken, die 150 Jahre alt sind, singe ich die gleichen Töne, die gleichen Noten. Es ist, wie man es macht. Daß man Überzeugungen, Handwerk, Kunst und Technik hat. Ich arbeite sehr viel an meiner Technik, und das erwarte ich auch von Regisseuren.“
Seine musikalischen Zukunftswünsche beinhalten mehr Konzerte und Liederabende. „Ich habe als Bariton, und als ich studiert habe, viele Lieder gesungen, aber als Tenor geht es zeitlich nicht, oder man wird als Wagnertenor nicht so sehr nach Liedern gefragt. Aber ich habe vor, in den nächsten zwei Jahren mehr Liederabende und Konzerte zu geben.“ Außerdem hofft er, den Chenier nach der konzertanten Aufführung in Leipzig in absehbarer Zeit auch szenisch singen zu können.
Neben den beiden Wagner-CDs wird demnächst eine dritte Aufnahme mit der Klavierfassung vom „Lied von der Erde“ erscheinen. „Als nächste Solo-CD würde ich gern eine italienische CD machen.“
Diese und andere Neuigkeiten kann man übrigens auf der informativen Website des „ein bißchen computerinteressierten“ Künstlers www.robertdeansmith.com nachlesen.
Im November 2005 wird Robert Dean Smith am Konzert „Fülle des Wohllauts“, einer Thomas Mann-Operngala in der Hamburger Musikhalle mitwirken. Wir hoffen, ihn auch danach noch sehr häufig an der Alster hören zu können. AHS & MK