„Guillaume Tell“ – Rossini Opera Festival 2014 (Stream)

Wer alljährlich seinen Urlaub mit Oper und Meer in Rossinis Geburtsstadt Pesaro verbringt, ist ein sogenannter „alter Hase“, was Verständnis gerade für Opern des großen Sohnes dieser Stadt angeht, zumal schlichtweg auch Rossini zum Lieblingskomponisten der Rezensentin gehört. So war es ihr vergönnt, dieses vieraktige hochmusikalisch anspruchsvolle Werk, das immerhin an die fünf Stunden dauert (die Pausen nicht mitgerechnet) an diesem zauberhaften Badeort zu erleben. In Pesaro gibt es selten, an anderen Opernhäusern der Welt fast gar nicht gespielte Opern des großen Komponisten, so daß man jedes Jahr mit Spannung dorthin fährt, um wieder Neues kennenzulernen.

2014 nun wagte man sich an dieses letzte Werk des Meisters, zeigte die französische Fassung und engagierte die wohl besten Interpreten für dieses Werk nach Pesaro. Leider stellte der Regisseur Graham VICK die Handlung nach Schillers Schauspiel, das immerhin nach der historischen Begebenheit in der Schweiz im 13./14.Jahrhundert – Rüthli Schwur (damals war die Schweiz von den Habsburgern mit Unterdrückungen des Volkes besetzt) in die Zeit vor dem 1. Weltkrieg, wo das deutsche Kaiserreich nach Ansicht des Regisseurs die Schweiz besetzt hielt, was ein historischer Nonsens ist. Da die Figur des Tells historisch nicht erwiesen ist, dachte sich damals der Regisseur wohl die Verlegung der Handlung in ein anderes Zeitalter aus. Man konzentrierte sich hier voll nach dem Freiheitsgedanken generell, das Werk kam nach dem Libretto von Victor-Joseph Étienne de Jouy und L. F. Bis zur Aufführung.

So habe ich einstmals schon am nächsten Tag der Aufführung badend im Meer Schweizerische Kritik und Ablehnung darüber gefunden, die Schweiz war einstmals selbstverständlich stark in Pesaro vertreten. Es sind dazu auch einige Merkwürdigkeiten in dieser Inszenierung zu finden, wie beispielsweise in der Hochzeitszene transportierte Schuhe der Hochzeitsgäste, ausgestopfte und von den Solisten umgeworfene Pferde, Filmkameras auf der Bühne und einiges mehr, was – wie es heute leider in vielen Inszenierungen von Opern etc. der Fall zu sein scheint. Da hat sich damals wohl Pesaro angeschlossen. So bleibt es leider unverständlich, warum man gerade diese Inszenierung ins Internet gestellt hat, wo es doch dort jedes Jahr vernünftige und werksgetreue Inszenierungen gibt.

Musikalisch aber schwelgte man im Rossini-Rausch. Michele MARIOTTI, der Dirigenten-Lokalmatador von Pesaro (dort geboren und zu Hause) mit seinem ORCHESTRA DI TEATRO COMMUNALE DI BOLOGNA stellte schon bei der berühmten Ouvertüre sein Können vor, er fühlt die Musik Rossinis, und kann sie deshalb auch nach den Gedanken des Komponisten voll wiedergeben. Nicht umsonst holt ihn die ganze Welt gerade für Rossini-Opern immer wieder ans Pult.

Ein singender Lokalmatador von Pesaro gestaltete die Titelrolle des Tell, nämlich Nicola ALAIMO, der schon in seiner fulminanten Bühnenpersönlichkeit für diese Rolle nicht nur stimmlich eine Bestwahl darstellte, wobei ein weiterer Publikumsliebling als Arnold Melcthal (deutsch Melchtal) auf der Bühne war, nämlich, wie könnte es anders sein, der Ehrenbürger von Pesaro Juan Diego FLÓREZ, der an diesem Abend wieder einmal sein ganzes tenorales Können ausleben konnte, besonders in seiner Arie des 4. Akts.

Walter Fürst war gut dargeboten von Simon ORFILA, den alten Melchtal verkörperte bravourös Simone ALBERGHINI. Besonders beeindruckt hat mich schon in 2014 Amanda FORSYTHE als Jemmy, dem Sohn des Tell, die in ihrer Arie vor dem Apfelschuß einfach hinreißend war. Den sadistischen Bösewicht Gessler konnte Luca TITTOTO bestens auf die Bühne bringen, Alessandro LUCIANO als Rodolphe, Celso ALBELO besonders beeindruckend als Fischer Ruodi, Wojtek GIERLACH als Jäger Leuthold fügten sich bestens ein.

Marina REBEKA als Mathilde war eine Idealbesetzung dieser Partie, ihre Liebe zu Arnold konnte sie stimmlich und darstellerisch schon in ihrer großen Arie des 1. Akts nicht besser auf die Bühne bringen. Als Hedwige war Veronica SIMEONI sehr gut auf der Bühne.

Die zweifache Ballettmusik, die die Oper so lange macht und die meist bei einer Tell-Produktion in anderen Häusern gestrichen ist, war natürlich von Maestro Mariotti bestens musikalisch geformt und die Choreographie des Balletts dazu bestens ins Werk eingefügt. Bühnenbild und Kostüme von Paul BROWN paßten sich den Regie-Ideen von Graham Vick an. Die Choreinstudierung des CHORS DES TEATRO COMMUNALE DI BOLOGNA von Andreas FAIDOTTI konnte nicht besser gewesen sein. I.St.