„Wir sollten einfach nicht vergessen, für wen wir Theater machen.“ – Interview mit Patrick Busert

Diese Aussage charakterisiert Patrick Buserts Einstellung zu seiner Arbeit wohl am besten. Der Tenor ist seit 1998 Ensemblemitglied am Lübecker Stadttheater und gehört dort zu den beliebtesten und auffälligsten Künstlern.

Entgegen dem „üblichen“ Ablauf mit ersten gesanglichen Erfahrungen in Chören oder in der Schule, wurde mit zwölf Jahren der Wunsch zu singen, mit einer Vorstellung von „My fair Lady“ geweckt. Hieraus entwickelte sich eine tiefe Liebe zum Theater. „Ich habe zwar immer schon in der Schule Theater gespielt, aber mit Musiktheater hatte ich vorher keine Berührung… Ich bin dann eigentlich in jedes Stück gegangen, habe mir vorher immer die Gesamtaufnahme gekauft, konnte die Stücke dann quasi auswendig, bevor ich sie mir angeschaut habe und bin dann auch wahnsinnig viel durch die Gegend gereist.“

„Ich war einfach so ein eingefleischter Opernfan, der durch die Gegend fuhr, sich alles anschaute und sehr viel las.“

Schnell entstand die Idee, im Theaterbereich zu arbeiten. Er nahm Gesangsunterricht, aber noch nicht mit dem erklärten Ziel, Sänger zu werden, sondern mit der Idee, vielleicht eines Tages Kritiken zu schreiben. „Da ist es ja auch nicht schlecht, wenn man etwas von Gesang versteht.“ Zeitgleich zum Zivildienst sang er zunächst im Extra-Chor des Theaters Trier und trat bei Schülerkonzerten seiner damaligen Gesangslehrerin Vera Ilieva auf. Der Trierer GMD Petersen ermutigte ihn schließlich, der gerade in Trier gastierenden Sängerin Hildegard Uhrmacher vorzusingen. Da Frau Uhrmacher zu einer Gesangsausbildung riet, bewarb Patrick Busert sich an zwei Hochschulen und erhielt von beiden Zusagen. Die Entscheidung für die Hochschule Detmold fiel nicht schwer, da Frau Uhrmacher dort unterrichtete.

Zwischen der Hochschule und dem Theater Detmold besteht eine enge Kooperation, so daß Patrick Busert bereits ab dem dritten Studienjahr regelmäßig für mehrere Produktionen pro Saison auf einer professionellen Opernbühne stehen konnte. Gleichzeitig erhielt er kleine Aufgaben am Theater Trier, da Reinhard Petersen den angehenden Sänger fördern wollte.

In Detmold gab es schon bald interessante Aufgaben wie Remendado in „Carmen“ oder Arbace in „Idomeneo“ – „der dann ja auch schon eine Arie hat“ – und Operettenpartien. „Ich hatte das große Glück, daß ich sehr viel singen konnte und meine Ausbildung sehr praxisnah machte. Ich denke, es ist bei den Hochschulen ein bißchen ein Problem, was den szenischen Unterricht etc. angeht.“

Zwischenzeitlich hatten sich auch Gastspiele an der Neuburger Kammeroper mit „Der Türke in Italien“ von Seydelmann und mit 26 Jahren das Debüt am Theater Lüneburg als Ernesto („Don Pasquale“) ergeben.

Nach dem Studium blieb der Sänger im Ensemble von Detmold. Trotz schöner Partien fiel im dritten Jahr dann die Entscheidung, Detmold zu verlassen. „Ich hatte für mich das Gefühl, du hast noch nicht vorgesungen, du bist noch nicht den richtigen Weg gegangen.“ Er sang an verschiedenen Häusern vor unter anderem auch in Lübeck, wo man ihn bereits als Einspringer kannte. „Ich war auch mit anderen Häusern schon in Verhandlung; Lübeck war nicht das größte Haus von denen, aber von den Partien das interessanteste.“

So gab es gleich in der ersten Saison in Lübeck spannende Aufgaben wie Truffaldino in „Die Liebe zu den drei Orangen“ und Pedrillo. In der Saison 2001/02 sang er den Roger im „Rotkäppchen“ von Boieldieu, in „Die Schule der Frauen“, Paris in „La belle Helène“ und „etwas ganz verrücktes“, wie er meint, den Wachtmeister in „Die Nase“.

Schon vorher gab es dann mit dem Don Narciso im „Turco in Italia“ eine Rossini-Partie, dem sich in der laufenden Spielzeit noch der Conte Almaviva zugesellen wird. Rossini zu singen, sei für ihn immer so ein Traum gewesen, da insbesondere in der Höhe das stimmliche Material dafür vorhanden ist. „Wenn man ständig in dieser Lage singt, dann gibt das einem Sicherheit.“ Man fürchte sich nicht vor diesem einen Spitzenton, „man weiß, daß man sich darauf verlassen kann.“

In Kassel gastierte er in dieser Saison in Peter Eötvös’ „Tre Sestri“ – „eine kleine, aber sehr exponierte Partie.“ Im Spieltenorfach gebe es nicht so viele exponierte und große Partien, daher sei der Bereich der modernen Oper auch eine Chance, weil dort eher interessante Partien existieren. „Verdi, Puccini, Donizetti haben es mit dem Spieltenor alle nicht so gut gemeint.“ Moderne Musik biete tolle Aufgaben und mache insofern sehr viel Spaß.

In dieser Saison folgte in Lübeck Rosillon in der „Lustigen Witwe“. „Ich finde, daß Operette oft unterschätzt wird und ein bißchen die Kultur verloren geht. Es ist wichtig, daß sie Charme hat, und daß sie nicht so ernst genommen wird, denn ich glaube, sie nimmt sich selbst auch nicht so ernst. Daß man Spaß daran hat und nicht nach dem tieferen Sinn sucht… Ich mag Operette sehr gern.“

Patrick Busert liebt die Kombination aus Gesang und Spiel gepaart mit der Möglichkeit, auf der Bühne zu tanzen. „Ich merke schon, daß ich das wahnsinnig gern mag, und daß ich großen Spaß daran habe.“

Befragt, wie es bei einer solchen Vielseitigkeit mit Vorbildern ist, antwortet er: „Ich kann nicht sagen, daß es Sänger gibt, von denen ich sage, das ist mein Vorbild. Es gibt natürlich Sänger, die einen wahnsinnig faszinieren, für die man sich sehr begeistern kann, die dann auch nicht unbedingt das eigene Stimmfach sind,“ und nennt Agnes Baltsa und Edita Gruberova. „Grundsätzlich merke ich schon, daß ich immer eine große Liebe zu Koloraturstimmen und Stimmen, die in extremen Lagen singen, habe.

Er träumt, „wie alle Tenöre“ vom Rodolfo, anmerkend daß dies wohl ein Traum bleiben werde. Neben vielen weiteren Rossini-Partien könnte er sich vorstellen, daß sein Weg zum „Postillon von Longjumeau“ und zum Tonio in der „Fille du régiment“ führt. „David in den ‚Meistersingern’ würde ich natürlich gern machen, vielleicht geht es dann eines Tages auch in Richtung Loge.“

Das Thema „Regietheater“ sieht der Tenor als das ganz große Thema an den Theatern derzeit sowohl für die Künstler als auch für das Publikum an, stellt aber die Frage danach, was denn „modern“ sei. „Eigentlich ärgert mich oft, wenn man irgendwo war und sagt, ich habe dies oder jenes Stück gesehen, das alle gleich fragen: ‚War’s modern?’ Denn eigentlich ist die Frage doch, ob es gut oder schlecht war, und wenn es gut ist, dann ist es mir egal, ob es konservativ oder modern ist.“ Für die auf der Bühne Agierenden sei nach der x-ten „Zauberflöte“ oder „Traviata“ eine andere Sichtweise interessant, doch müsse man davon ausgehen, daß ein großer Teil des Publikum „Traviata“ oder „Zauberflöte“ in diesem Moment zum ersten Mal sehe.

„Einerseits ist Kunst ein Punkt, bei dem man immer nach neuen Wegen suchen und ausprobieren muß. Manchmal gehört heute für einen Regisseur viel mehr Mut dazu, etwas konservatives als etwas modernes zu machen.“ Wichtig für die Qualität einer Inszenierung sind aus seiner Sicht nicht, ob es konventionell oder eben modern ist, sondern die guten handwerklichen Fähigkeiten des Regisseurs. „Wenn ich das beherrsche, kann ich natürlich auch anfangen, ganz verrückte Sachen zu machen.“

Lampenfieber verspürt Patrick Busert vor allem in der Probenzeit und am freien Tag vor der Premiere. „Ich bin auch nachts schon aufgewacht und habe festgestellt, ich habe die ganze Nacht von dieser Partie geträumt.“ An manchen Tagen sei man nervöser als an anderen, jedoch verschwinde die Nervosität, wenn man die Bühne betrete. „Bei mir hat das sehr viel mit Stimmungen zu tun. Man kommt nie an den Punkt, wo man denkt, so, du wirst jetzt keine Angst mehr haben.

“Das Lernen von Partien bereitet ihm keine Kopfschmerzen, er lernt sehr schnell neue Partien, kann aber auch gut ältere Rollen reaktivieren. „Ich kann sehr schnell einmal gelernte Partien wieder aufarbeiten, ich kann schnell Dialoge lernen.“ Dies ist der Grund, daß er neben seinen bestehenden Verpflichtungen gern einspringt, da er einmal gelernte Partien schnell wieder zur Verfügung hat und sich Neues eben rasch aneignen kann.

In seiner Freizeit genießt er die Ostsee – „im Sommer zumindest“ – und treibt viel Sport als Ausgleich. „Es tut mir sehr gut, sich auch einmal körperlich an seine Grenzen zu bringen. Singen ist halt eher Kopfarbeit.“ Weniger Zeit als früher bleibt für Theaterbesuche, was er sehr bedauert. „Man gewinnt etwas, wenn man das Theater zu seinem Beruf macht, man verliert aber auch etwas. Etwas, das ich immer versuche, mir beizubehalten, ist daß man nicht nur dort sitzt und immer nachdenkt, wie dieser Sänger oder jener Sänger das singt.“

Derzeit genießt er vor allem die ihm in Lübeck gestellten Aufgaben. Das Jahr 2003 bringt hier neben seinem Almaviva-Debüt und Camille de Rosillon auch den Ali in der französischen Oper „Zémire et Azor“.

Toi, toi, toi! MK & AHS