Punktgenau zum 85. Geburtstag am 5. Februar 2002 von Kammersänger Otto EDELMANN gab es viele Ehrungen und Veranstaltungen, und so kamen wir überein, unser Gespräch auf ruhigere Zeiten zu verlegen, daß es dann Ende Juni wurde lag daran. Die Zeit ist ein gar sonderbares Ding, auch für einen Sänger, der als einer der besten Ochs-Interpreten in der Musikgeschichte des vorigen Jahrhundert geführt wird.
Ochs von Lerchenau eine Lebensrolle? Wohl unbestritten sang Otto Edelmann diese Rolle doch 256 Mal und begann mit der Rolle schon sehr jung 1951, um bis zum Ende seiner Karriere 1976 darin zu reifen.
Eine Karriere, die stolze 40 Jahre dauerte, eine Karriere, die schön gewachsen ist, und die so nach und nach die Erfüllung aller Wünsche brachte. 1937 debütierte Edelmann in Gera als Figaro in „Hochzeit des Figaro“, war dann in Nürnberg als erster Bassist engagiert. Leider machte auch der Krieg vor der Karriere Otto Edelmanns keinen Halt und forderte ihn zum Dienst an der Waffe, auch zwei Jahre Gefangenschaft blieben ihm nicht erspart. Aber auch in der Gefangenschaft blieb er seinem Beruf treu und sang bei bunten Abenden für die Mitgefangenen. 1947 nahm aber die Karriere dann einen raschen und steilen Verlauf. Graz und dann gleich an die Staatsoper in Wien. Ein Haus, dem er bis zu seinem frei gewählten Rücktritt 1976 auch treu geblieben ist, und wo er viele Rollen seines umfangreichen Repertoires interpretierte.
Sein großer Durchbruch begann 1950, als er unter Clemens Krauss einen ersten Falstaff sag. 1951 folgte der Hans Sachs in Bayreuth, die zweite große Rolle, die für Otto Edelmann zum Markenzeichen wurde.
Die österreichische Festspielstadt Salzburg war ebenfalls sehr lange Zeit eine wichtige Wirkungsstätte für Otto Edelmann, wo er als Leporello in „Don Giovanni“ auftrat, als Rocco in „Fidelio“ und selbstverständlich auch als Ochs, als 1960 das neu erbaute Festspielhaus eröffnet wurde.
Nach diesen ersten Erfolgen war es klar, daß andere großen Häuser auch Interesse an dem jungen Sänger zeigten und ihn verpflichteten. So kam es 1954 zum Met-Debüt, auch hier als Sachs, das der Beginn einer jahrelangen Präsenz an der Met war, wo Otto Edelmann mehr als hundert Abende dort sang, meist in Wagner-Partien wie Wotan, König Marke und immer wieder Sachs.
Auch verschiedene Tourneen durch Amerika festigten seine Karriere. An diese Zeit erinnert sich der rüstige Jubilar besonders gerne zurück, hat es ihm doch neben dem großen Erfolgen auch viel persönliche Bereicherung und einige interessante Freundschaften beschert. So fand er in Alexander Kipnis eine harmonievollen Freund, in Lauritz Melchior einen humorigen Partner. Aus diesen Zeiten gibt es verschiedenste Anekdoten, die Kammersänger Edelmann natürlich gerne zum besten gibt. Eine davon betrifft die erste Einladung in Melchiors Haus. Wie üblich mußte man an einem Tor läuten, um Einlaß zu bekommen, bevor noch Lauritz Melchior erschien, kam eine riesige Dogge herbeigelaufen . Obwohl Otto Edelmann sehr tierlieb und auch nicht ängstlich ist, formulierte er dennoch die stereotype Frage „Beißt er?“ Darauf Melchior: „Nein, nur Tenöre“.
Auch mit seinem Baritonkollegen Robert Merrill, den auch ich sehr schätze, pflegte Otto Edelmann eine lange freundschaftliche Beziehung,
Europa wurde er aber über den amerikanischen Erfolgen nicht untreu, er trat in Zürich, Stuttgart, Berlin, Marseille, Lissabon, London, München ebenso auf wie an der Mailänder Scala.
Otto Edelmann war immer glücklich in seinem Beruf und dem Umfeld. Meine Frage nach Konflikten oder Situationen, die er gerne vergessen hätte , war sehr schnell und prägnant beantwortet, es gab keine, und die einzige Auseinandersetzung, die er mit einem Dirigenten hatte (dessen Namen er natürlich nicht nennen wollte), wurde noch bei den Orchesterproben im Vorfeld der Vorstellung beigelegt, und woraufhin dann eine erfolgreiche Aufführung folgte.
Als sich Otto Edelmann, der den Titel Kammersänger nicht ohne Stolz trägt, der in Salzburg mit der Max-Reinhardt-Medaille ausgezeichnet wurde, um nur einige der vielen Ehrungen zu nennen, von der Bühne zurückgezogen hatte (sehr zum Leidwesen vieler Besetzungsbüros – aber er wollte auf der Bühne nicht zittern müssen, sondern im Vollbesitz seiner stimmlichen Kräfte abtreten), drängte man ihn zum Unterricht, und so wurde er mit sehr viel Freude Professor für Gesangspädagogik an der Wiener Musikakademie, eine Tätigkeit, die er weit über zehn Jahre ausübte.
Nun, nachdem auch dieses Kapitel abgeschlossen ist, hält er Meisterklassen ab und unterrichtet interessierte Schüler privat (auch gestandene Sänger finden den Weg zu Otto Edelmann, um von seiner Erfahrung zu profitieren). Das ergab für mich natürlich die Frage, wie es grundsätzlich mit den jungen Stimmen aussehe. Herr Edelmann verfolgt die Szene ja nun schon einige Zeit sehr intensiv, und er konnte feststellen, daß es zwar interessante Sänger gebe, aber die meisten Stimmen sehr klein seien, ohne Kraftreserven ,daher sehr bald verbraucht seine , zumal sie nur selten repertoiremäßig gut aufgebaut würden.
Otto Edelmann hat die Erfahrung gemacht, daß heute die Dirigenten nicht mehr so wie in seiner Glanzzeit mehr mit den Sängern arbeiteten, und daher seine manche Sänger auch bei fachlichen Umstellungen oder Unsicherheiten auf sich gestellt, und da sei ein erfahrener Altkollege natürlich sehr hilfreiche. Er werde nicht nur um Rat gefragt , sondern es kämen auch einige Sänger zu ihm, um mit ihm zu lernen, sich von eingeschlichenen Fehler zu befreien, sich neu aufzubauen. Eine seiner Schülerinnen, die jetzt sehr erfolgreich und auch auf dem besten Wege einer Weltkarriere ist Martina Serafin, Tochter des sehr erfolgreichen Mörbischer Seespieldirektors Harald Serafin.
Eben diese Tätigkeit des Unterrichtens brachte auch die große Freude mit sich, seine beiden Söhne ganz offiziell als Lehrer und nicht nur als Vater zu unterrichten und in die Geheimnisse und hohe Kunst des Gesanges einzuweihen. Sowohl Peter, der ältere der beiden Brüder, als auch Paul Armin absolvierten mit guten Erfolg die Musikakademie und sind junge Sänger , die sich nach einigen Jahren des fixen Engagements nun auf den Bühnen der Welt in Europa und Übersee bewegen.
Obwohl der Vater Otto Edelmann 65 Rollen im Repertoire hatte, übertreffen ihn die Söhne teilweise schon jetzt. Das ist aber auch dadurch bedingt, daß beide Brüder neben Opernrepertoire auch Operette und Musical interpretieren, also ihr Repertoire etwas verbreitern auf der musikalischen Bühne. Was zwar nicht ganz die Billigung des Herrn Papa gefunden habe, aber die Erfolge hätten ihn dann doch milde gestimmt. Für junge Sänger sei es heute wichtiger denn je vielseitig zu sein.
Den Weg seiner beiden Söhne Peter und Paul Armin Edelmann verfolgt er natürlich besonders genau, arbeitet auch weiterhin mit ihnen und gibt auch, so gewünscht, Ratschlage. Er besucht auch die meisten Vorstellungen, sofern sie einigermaßen erreichbar sind.
Bei diesen Aufführungen bekomme er ausreichend Einblick in das heutige Operngeschehens und dem Regietheater mit seinen Auswüchsen. Er könne sich nicht vorstellen unter den heutigen Bedingungen noch zu arbeiten und bewundert alle, die sich so einfügen und die vielen eigenartigen Dinge mitmachen, die die Regisseure verlangen, und die sich so offensichtlich gegen das Werk, die Musik, richten.
Otto Edelmann war mit Leib und Seele Sänger und blickt mit Freuden auf seine aktive Laufbahn zurück, gibt immer wieder kleine Anekdoten zum Besten. So zum Beispiel jene einer Vorstellung des „Fliegenden Holländers“, in der sein Kollege Gottlob Frick als Daland den Text umänderte und statt der Worte „mögest du den edlen Mann gewinnen“, „mögest Du den Edelmann gewinnen“ sang. Viele andere Anekdoten sind dergestalt , daß man sie nicht zu Papier bringen kann.
Kammersänger Otto Edelmann hat weiterhin einen vollen Terminkalender, sein Unterricht, Masterclasses, Vorträge und die Reisen zu den diversen Aufführungen seiner Söhne lassen ihm sehr wenig Freiraum, aber diese Aktivitäten halten den Senior geistig und auch körperlich frisch.
Zu seinem 85. Geburtstag kam bei Preiser eine CD als Hommage heraus, einen Querschnitt durch sein Repertoire. Es gibt auch viele Gesamtaufnahmen, die es seinerzeit nur auf LP gab, die aber jetzt so nach und nach auf CD erscheinen, und der legendäre „Rosenkavalier“ unter Karajan ist jetzt sogar schon auf DVD erhältlich.
Hoffentlich können wir in fünf Jahren den 90. Geburtstag mit Otto Edelmann in der gleichen Frische feiern, wir wünschen dem edlen Sänger weiterhin so Energie und vor allem Gesundheit, damit er seine Söhne weiter auf deren künstlerischen Weg begleiten kann, dies ist etwas, was im sehr am Herzen liegt. EH