„Es gibt zwei, nein drei Personen, denen ich verdanke, Sänger zu sein…“ – Interview mit Massimiliano Pisapia

„…Gott, der mir die Stimme gab, Franco Corelli, der mich unterrichtete – und meinen Vater, der meine Ausbildung bezahlte.“

Massimiliano PISAPIA wurde im Lokal seiner Eltern entdeckt, wo er regelmäßig u.a. „Nessun dorma“ zum besten gab. Eine Sängerin hörte ihn dort und schlug ihm vor, seine Stimme ausbilden zu lassen. Eigentlich
eine Geschichte wie aus dem Märchenbuch der Oper, irgendwie. Trotzdem glaubt man sie sofort, denn dieser italienische Tenor erzählt ungekünstelt und natürlich drauf los.

„Sie sagte, ich klänge sehr gut, und ob ich nicht studieren wolle. Ich dachte mir, weshalb nicht. Mit zwanzig habe ich angefangen, zwei Jahre Musik zu studieren, und danach fünf Jahre mit Maestro Franco Corelli gearbeitet.“ Im 2001 debütierte er als Pinkerton in „Madame Butterfly“. Seitdem war er u. a. beim Maggio Musicale Fiorentino, am Teatro Colon di Buenos Aires, am Opernhaus Zürich sowie an der Wiener Staatsoper und der Mailänder Scala zu hören. An der Hamburgischen Staatsoper, an die ihn
Operndirektor Josef Hussek geholt hat, sang er neben dem Pinkerton bereits Gabriele Adorno, Gustavo und Rodolfo.

Neben seinem Lehrer Corelli, den er – verständlicherweise – vergöttert, habe er weitere Vorbilder, allerdings „nicht als eine Imitation. Ich bewundere Caruso, Placido Domingo, Carreras, auch Pavarotti, aber dort eher die Professionalität, die Stimmfarbe gefällt mir jedoch weniger, ich mag lieber runde, dunkle Farben.“ An José Carreras gefalle ihm die Eleganz in der Stimme. Für den Pinkerton habe er sich von der Interpretation Carlo Bergonzis inspirieren lassen.

Die Vorbereitung einer neuen Partie beginne er häufig mit einer Aufnahme eines Sängers, der ihm gefalle, dessen Stimme mit seiner vergleichbar sei. Nach Studium von Partitur und Libretto probe er am liebsten
gemeinsam mit einem Korrepetitor des Teatro Regio di Torino. Auf diese Weise erarbeiteten sie zusammen die Atmung, die Intensionen des Komponisten, etc. Diese Unterstützung sei perfekt.

Auf seine gute Diktion angesprochen, meint der Tenor, man müsse singen, wie man spreche, und immer wissen, worum es im jeweiligen Moment eigentlich gehe. Als Muttersprachler habe er in der italienischen Oper natürlich Vorteile.

In den vergangenen sieben Jahren hat Massimiliano Pisapia ca. zwölf Partien gesungen unter anderem in „Madame Butterfly“, „La Bohème“, „L’elisir d’amore“, „Simon Boccanegra“, „Lucia di Lammermoor“, „Macbeth“
sowie verschiedene Konzertsoli in Rossinis und Dvoraks „Stabat Mater“, im Verdi-Requiem. „Mein Traum ist, alles zu singen… Natürlich habe ich einen Plan, welche Partien ich in einigen Jahren singen werde. Mein Terminkalender geht zur Zeit bis 2014.“

Zur Zeit hält er Gustavo/Riccardo in „Un ballo in maschera“ für seine schwierigste, aber auch wichtigste Rolle. Als nächste neue Rolle komme 2010 Cavaradossi in Cagliari. Natürlich würden ihm auch andere Sachen
angeboten werden, die er theoretisch bereits singen könnte, welche er jedoch zugunsten seiner Stimme erst später machen wolle. Er wünscht sich eine lange Karriere, in der er die Rollen singe, die ihm gefallen und am besten zu seiner Stimme paßten.

Die Sicherheit, mit der er alle seine Partien angeht, resultiere in erster Linie aus seiner guten Technik, auf die er sich verlassen könne, und wegen der er sich auf der Bühne entspannt fühle. Außerdem gewinnt man in dem Gespräch rasch den Eindruck, daß neben seiner musikalischen Karriere die Familie, seine Frau und die drei kleinen Kinder, die größte Rolle spielt. Er versuche, so häufig wie möglich zwischen den Auftritten zuhause zu sein.

„Ich höre eigentlich jede Art von Musik, von Rock bis zur Oper, mir gefällt fast alles, weil die Musik eine unglaubliche Sache ist, die so viel Gefühl und Leidenschaft enthält.“, sagt er und lacht. Die positive Energie und Freude an seiner Arbeit, die uns zuvor an diesem Abend auch bei seinem Auftritt als Pinkerton aufgefallen war, setzt sich in diesem Gespräch mit seiner Normalität und Unkompliziertheit nahtlos fort. Generell sollte man eine Vorstellung mit Massimiliano Pisapia nicht verpassen.

Von seinen großen gesanglichen Fähigkeiten kann man sich außerdem leicht selbst ein Bild machen. Es gibt DVDs der Produktionen „Roberto Devereux“ aus Bergamo mit Dimitra Theodossiou, „Un ballo in maschera“ aus Leipzig und „La Bohème“ aus Torre di Lago. Zur DVD-Produktion „Un ballo in maschera“ aus Leipzig erzählt er: „Es gab zwei wichtige Faktoren: das gute Orchester und das ausgezeichnete Dirigat von Riccardo Chailly. Chailly ist ein phantastischer Dirigent mit großer Intensität.“

Außerdem existiert eine CD aus dem Jahre 2004 von der unbekannten Oper „Consuelo“ von Alfonso Rendano.

Es war ein sehr interessantes Gespräch mit jemandem, der nicht nur Ahnung von Musik und Operngesang hat, sondern auch mit Begeisterung über Tischfußball reden kann. Wir wünschen uns viele weitere Abende mit all
den Partien, die in der weiteren Karriere Massimiliano Pisapias anstehen werden, und versuchen, möglichst wenige davon zu verpassen.
MK & AHS (Juni 2008)

P.S. Wir bedanken uns neben Jens Pittroff, der für uns ins wie aus dem Italienischen (und Spanischen) übersetzte, auch bei Luana D’Aguì für all die Arbeit, dieses Interview möglich zu machen. Grazie tanto!