„Schubert auf der Reise nach Atzenbrugg“ – 30. April 2021 (Stream)

„Ist das nicht das Wesen der Kunst, alle Toten wieder lebendig zu machen?“ Mit dieser Textstelle aus dem Gedankengut von Peter Turrini, der das Libretto zu dieser Oper über Franz Schubert schrieb, von Johanna Doderer meisterhaft komponiert- das Zitat paßt auch bestens zur heutigen Zeit – möchte sich die Rezensentin bei Komponistin und Librettisten bedanken für ein Werk, das die Opernbühnen erobern wird, zumal Frau Doderer eine moderne zeitgerechte Musik dazu schrieb, die klangfarbenreich und hörgerecht durchdacht komponiert ist. So manche Stelle daraus hat man in Erinnerung, vor allen Dingen die Stelle mit dem sogenannten Vogellied, für eine Koloratursopranistin geschrieben. Man könnte noch so manche Stellen herausgreifen, was aber eine unendliche Länge dieser Rezension verursachen würde. Dazu war das Libretto von Peter Turrini, wie schon angedeutet, hervorragend passend zur Musik erdacht, was auf eine geglückte Zusammenarbeit beider Künstler schließen läßt.

Die Handlung des Stücks bezieht sich voll auf das Leben Franz Schuberts, der ja wie bekannt, zu schüchtern für die Liebe war, und er in dieser nicht unglücklichen Einsamkeit voll sich nur seine Musik als Geliebte erkor, was in dieser Oper von Anfang bis zum Ende zum Ausdruck kam. Das äußerst ansprechende Bühnenbild (auch die Kostüme aus dem Biedermeier stammen von Rainer SINELL) zeigt zu Beginn einen vergeblich nach musikalischen Einfällen suchenden Franz Schubert, der sich dann zur Entspannung zu einer Sommerfrische-Fahrt mit seinen Kameraden auf einem damals üblichen Reisewagen der armen Leute, allerdings mit mitreisendem Flügel, nach Atzenbrugg begab, wo er sich -verliebt in Josefa von Weisborn – wieder einmal nicht traut, um sie zu werben, und die sich dann mit einem anderen verlobt. Schubert bleibt wieder am Ende der Oper allein zurück, nur mit seiner großen Liebe, der Musik.

Alle wichtigen Freunde des Komponisten Schubert, die man aus der Historie kennt, bis auf wenige, sind auf dieser Reise verewigt und bleiben durch eine sehr gute Ensemblearbeit in Erinnerung. So geschieht es mit dem Vogellied (man möchte es so bezeichnen) von Andreja ZIRDAIC als Louise Lautner der Kunstpfeiferin, zumal es sich bei dieser Sängerin um eine bestgeschulte Koloratursopranstimme handelt.

Besonders hervorzuheben ist die Regie, die wieder einmal der Intendant persönlich übernommen hat. Josef E. KÖPPLINGER legte die Handlung historiengetreu in die Zeit nach den napoleonischen Kriegen und spannte vor und neben dem Reisewagen Kriegsveteranen während der Fahrt nach Atzenbrugg. Dies sei aus der Vielfalt der bravourösen Regie-Ideen des Intendanten aus dem Stück herausgegriffen.

Im darstellerischen und musikalischen Bereich war Daniel PROHASKA in der Titelrolle eine Bereicherung. Seine Rolleninterpretation des unglücklichen schüchternen und doch so reich an musikalischem Seelenleben befindlichen Komponisten Franz Schubert war unübertrefflich, zumal er auch in tenoraler stimmlicher Bestdisposition war. Besonders gefiel er in seiner Erzählung der für ihn so schrecklich erlittenen Quecksilber-Bestrahlung, die ihn auch immer wieder zu Traumvisionen trieb. Lange in Erinnerung bleiben wird seine Szene im Schlußbild, als er halbnackt allein auf der Bühne stand, nur mit seiner Musik vereint, und als die Noten seiner Kompositionen vom Bühnenhimmel fielen, aufzuzeigen, daß er nunmehr voll seiner Musik angehört, seiner großen und unsterblichen Geliebten. (Wie im übrigen zu bemerken wäre. wurden manche Fragmente der Kompositionen von Franz Schubert auch in der Oper selbst verwendet). Daniel Prohaska dürfte mit dieser Rolleninterpretation eine – wie ich meine – Weltkarriere begründet haben.

Von den weiteren Figuren ist die Darstellung des Leopold Kupelwieser hervorzuheben, Mathias HAUSMANN gestaltete diese Figur des uns allen bekannten Freundes von Franz Schubert stimmlich wie darstellerisch sehr gut. Im übrigen fand man fast das gesamte Ensemble des Staatstheaters am Gärtnerplatz im Reisekarren nach Atzenbrugg, Maria CÉLENG als die geliebte Josepha von Weisborn, mit Alexandros TSILOGIANNIS als ihr zukünftiger Verlobter, der „schöne Franz“ von Tassié, Anna-Katharina TONAUER als „rothaarige“ Caroline Helmer, Daniel GUTMANN als Nepomuk Feder, Timos SIRLANTZIS als Johann Michael Vogl, Florine SCHNITZEL als mitreisende Metzgerstochter Dorothea Tumpel in eindrucksvoller Darstellung. Besonders positiv aufgefallen ist Holger OHLMANN als der brutale Vater des Komponisten in dessen Traumvisionen, in der stummen Rolle des Kutschers wäre noch Johannes THUMSER zu erwähnen.

CHOR UND KINDERCHOR DES STAATSTHEATERS AM GÄRTNERPLATZ unter der Einstudierung von Felix MEYBIER tat sein übriges zum Gelingen dieser Uraufführung, im übrigen ein Auftragswerk des Staatstheaters am Gärtnerplatz.

Nun muß endlich auf das Dirigat von Michael BRANDSTÄTTER eingegangen werden, der das pandemie-reduzierte ORCHESTER DES STAATSTHEATERS AM GÄRTNERPLATZ zu einer Höchstleistung führen konnte. Wie wird das sein, wenn diese Oper wirklich in Bälde mit normaler Orchesterbesetzung aufgeführt werden kann? Man fühlt hier eine vorbereitende Harmonie zwischen Komponistin und Dirigenten.

Fazit: Frau Doderers Komposition mit Libretto von Peter Turrini, die wieder einmal großartige Regie von Josef E. Köpplinger und die gesangliche und schauspielerische Gestaltung der Rollen besonders von Daniel Prohaska wird nachhaltig zu einem Dauerrenner am Staatstheater am Gärtnerplatz führen, und das Werk auf den meisten Opernbühnen zur Aufführung bringen lassen. I.St.