„Hoffmanns Erzählungen“ – 29. Januar 2022

„Ich denke mir mein Ich durch ein Vervielfältigungsglas – alle Gestalten, die sich um mich herum bewegen, sind Ichs und ich ärgere mich über ihr thun und lassen.“ – Eintrag im Tagebuch von E. T. A. Hoffmann vom 5. November 1809, dies entnommen dem informativen Programmheft des Abends. Durch Zitat des Dichters, Musikers und Juristen, dessen fast unstetes Leben von Jacques Offenbach musikalisch und Jules Barber mit dem Libretto ausgestattet dieses Werk beinhaltet, verwoben in Traum und Wirklichkeit, macht diese Inszenierung von Stefano PODA verständlich, da man die Handlungsfiguren in Glaskästen auftreten ließ, eben das zitierte „Vervielfältigungsglas“, da sich die Lieben des Hoffmann und auch die Mutter der Antonia in diesen Glaskästen „vervielfältigt“ zeigten.

Man spielte eine Münchner Fassung nach der quellensicheren Neuausgabe von Fritz Oeser, der sich auch die musikalische Seite des Werks anpaßte. So erklang die so beliebte und bekannte „Spiegelarie“ bereits zu Beginn, in den gewohnten Fassungen ist sie im letzten Teil der Oper zu hören, auch war – hervorragend gesungen – die berühmte Barcarole leider nicht in den Kanälen von Venedig. Alles in allem kann man aber diese Inszenierung als verständlich und publikumsnah bezeichnen. Zudem forderte die Regie den Sängern schauspielerische Leistungen ab, die von diesen in einer kaum zu überbietenden Perfektion erbracht wurden.

Die Handlungsfiguren wurden alle aus dem Ensemble des Staatstheaters am Gärtnerplatz ausgewählt, so daß es sich anbietet, zunächst die Hauptakteure zu erwähnen. Für die Titelpartie hatte man Lucian KRASZNEC auserwählt, glockenrein die Töne und perfekt in Darstellung und Höhensicherheit interpretierte er den unglücklichen Hoffmann. Als seine Muse und Freund Niclas war Anna-Katharina TONAUER perfekt in gesanglicher Darstellung auf der Bühne. Dazu war in stimmlicher Perfektion Mathias HAUSMANN in den Rollen der vier teuflischen Erscheinungen des Lindorf, Coppelius, Dr. Mirakel und Dapertutto eine Bestwahl für diese Besetzung, zumal er sich schon zu Anfang mit der publikumsersehnten Spiegelarie als best disponiert präsentieren konnte und durfte.

Ebenso konnte Maximilian MEYER, der in den Rollen des Andreas, Cochenille, Pitichinaccio und besonders in der Rolle des Franz eine sehr gute Abendleistung erbringen. Die Damenrollen waren besonders hervorragend besetzt. Ilja STAPLE als Olympia war in ihren perfekt gesungenen Koloraturen eine Idealbesetzung, ihre große Koloraturarie belohnte das Publikum mit einem Sonderbeifall. Auch Jennifer O’LOUGHLIN war wieder für die Antonia eine Idealbesetzung, vor allen Dingen konnte sie zu ihrer stimmlichen Abendbestform noch eine ausgezeichnete darstellerische Leistung im Duett mit Lucian Krasznec erbringen. Sehr gut ebenfalls Camille SCHNOOR als Giuditta, die Liebe des Venedig-Akts, und in bester stimmlicher Übereinstimmung in der Barcarole mit Anna-Katharina Tonauer.

Anna AGATHANOS als Mutter der Antonia war für diese kleine Partie gut ausgewählt. Eine besonders eindrucksvolle Leistung erbrachte allerdings Juan Carlos FALCÓN als Spalanzi, zu dem sich Sava VEMIC in der Rolle des Crespel in bassistischem Bestkönnen dazu gesellte. Die übrigen weiteren kleineren Partien waren mit Timos SIRLANTZIS als Schlemihl, Caspar KRIEGER als Nathanael, Alexander GRASSAUER als Hermann, Holger OHLMANN als Luther und last not least Katrin KREITNER als Stella sehr gut besetzt.

Die musikalische Leitung des ORCHESTERS DES STAATSTHEATERS AM GÄRTNERPLATZ lag in den Händen des Chefdirigenten Anthony BRAMALL, der routiniert und gekonnt mit sicherer Hand sein Orchester und die Sänger durch den Abend führte. In den besten Händen lag die CHOReinstudierung von Pietro NUMICO. In den Händen von Stefano Poda lag nicht nur die Regie, sondern auch die choreographische Gestaltung, Bühne, Kostüme und Licht, was hier die beste Lösung darstellt, denn den Programminhalt zu studieren, ist für diese besondere Inszenierung Pflicht. I.St.