Wer eine ähnliche Inszenierung als die vergangene best Ansprechende von Dieter Dorn erwartete, wurde bitter enttäuscht. Christof LOY ließ die Oper von Wolfgang Amadeus Mozart mit dem Libretto von Lorenzo Da Ponte mit Marionetten (gekonnt und kurz geführt von Axel BABRO und Thomas SCHWENDEMANN) beginnen, die schon während der Ouvertüre zu sehen waren, aus dem Miniaturtheater sprang der menschliche Figaro in die Szene. Christof Loy zeigte auch eine gute Personenführung der Darsteller in seiner Regie, stellte das ganze Handlungsgeschehen aber in die Jetztzeit, was auch die Kostüme wenig einfallsreich von Klaus BRUNS aufzeigten – merkwürdiger Weise trat aber doch Cherubino bei seinem ersten Auftritt in einem zeitgerechten Kostüm der Mozartzeit auf – später wurde dann ein heißes Höschen mit extravaganten Strümpfen also Mädchenkleidung daraus. In keiner Weise wurde auf das dem Libretto vorangegangene Schauspiel „Der tolle Tag“ von Beaumarchais angeknüpft, das wegen der anstehenden französischen Revolution Figaro als Drahtzieher aller Geschehnisse ausweist. Das Bühnenbild zeigte eben Theater im Theater, war aber im großen und ganzen sehbar (Johannes LEINACKER).
Alles in allem freute man sich auf Mozarts Klassewerk, das musikalisch ebenfalls nicht den Erwartungen entsprach. Constantinos CAYRYDIS dirigierte das BAYERISCHE STAATSORCHESTER viel zu schleppend, machte zwischen den einzelnen Szenen allzu viel Pausen – was aber möglicherweise auf die Regie zurückzuführen ist. Allerdings hatte er bei der Sängerführung eine gute Hand.
Christof Loy stellte in seiner Regieauffassung den Grafen in den Mittelpunkt, den Christian GERHAHER (in bester stimmlicher Abend -Disposition, vor allen Dingen bei der Bravourarie „Hai gia vinto la causa“) als Generalmanager einer großen Firma gab, der durch die Wiedereinführung seines Rechts der ersten Nacht (wohl eine Anspielung auf sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz) verstärkt an das weibliche Geschlecht herankommen wollte. Federica LOMBARDI als Gräfin war für diese Rolle eine sehr gute Wahl, sie sang auch ihre beiden großen Arien in außergewöhnlicher stimmlicher Abendform.
Eine sehr gute Leistung erbrachte auch Olga KULCHYNSKA als Susanna, die im weißen Edelbrautkleid als Kammerzofe der Gräfin auftreten durfte und sich in Stimme und Spiel sehr auf ihren Partner Alex ESPOSITO als Figaro einstellen konnte. Alex Esposito zeigte eine überragende stimmliche und darstellerische Leistung in dieser seiner Rolle, die offenbar seine Leib- und Magenrolle ist, wenn ihm der Regisseur die Titelrolle läßt. Seine Stimme wird immer fülliger und neigt sich langsam den Baßpartien zu.
Der Cherubino von Solenn‘ LAVANANT-LINKE mit einem hellen Mezzo war ausreichend besetzt, hätte sich aber sicherlich schon rein figürlich in einer weiblichen Rolle wohler gefühlt. Die Rolle der Marcellina war mit einem Weltstar besetzt, nämlich mit Anne-Sofie VON OTTER, die anstelle ihrer Arie im letzten Akt eine Referenz dem großen Komponisten Mozart erwies, sie sang seine Liedkomposition „Abendempfindung an Laura“ KV 523, komponiert 1787 in deutscher Sprache, da man ja librettogerecht in italienischer Sprache mit deutschen und englischen Übertiteln sang.
Die weiteren Partien waren rollengerecht besetzt mit Paolo BORDEGNA als Bartolo, Manuel GÜNTHER als Basilio, Dean POWER als auch hier stotternder Don Curzio, Anna EL-KHASHEM als Barbarina, Milan SILJANOV als Gärtner Antonio sowie die beiden Mädchen mit Niamh O’SULLIVAN und Paula JANCIC. Die CHOReinstudierung lag wieder in den bewährten Händen von Stellario FAGONE. I.St.