Man war erschüttert, als man die vielen Eintrittskarten zum Verkauf am Eigang der Bayerischen Staatsoper wahrnahm, die offenbar alle nur wegen ihm – dem derzeit besten und begehrtesten Rossini-Tenor Juan Diego Floréz – gekauft wurden. Schade, dieser Teil des Publikums hat eine Aufführung versäumt, die ihm alles geboten hätte, was eine Oper besuchenswert macht. Eine hervorragende Interpretation von Rossinis überragender Komposition, ausgewählte komödiantische und beste sängerische Darbietungen aller darin auftretenden Interpreten, und zudem eine alt bewährte traditionelle Inszenierung, die einen Opernbesuch begehrenswert macht.
Über diese Inszenierung von Ferruccio SOLIERI ist schon so viel geschrieben worden, so daß man hier nur auf die Musikalität und stimmliche und darstellerische Interpretation eingehen möchte. Für die Rolle des Grafen Almaviva fand man Edgardo ROCHA, eine Tenorstimme, die aufhorchen läßt. Nicht nur darstellerisch vermochte er den liebeshungrigen verwandlungsfähigen Grafen darzustellen, sondern er vermochte seinen Part mit besten Rossini-Tenorkoloraturen zu versehen, ein absoluter Glücksgriff, ihn als Einspringer für den erkrankten Juan Diego Flòrez zu gewinnen.
Dazu zeichnete ein bestens disponierter Renato GIROLAMI die Figur des heirats- und geldwütigen Don Bartolo mit ausgefeilten humoristischen Einlagen aus, hinzu kam Peter ROSE als zwar stimmlich ausreichender Basilio, der dieser Figur aber leider den gewohnten Pep nicht geben konnte. Als Rosina glänzte Kate LINDSEY, sie gestaltete sie mädchenhaft, quirlig mit schwingendem (schwarzem Unter-) Rock und war vor allen Dingen in ihrer Auftrittsarie nicht zu übertreffen. Ihre Stimme erlaubt mühelose Höhen und Tiefen, die bei Rossini äußerst wichtig sind. Diese Stimme ist ein Gewinn für die Bayerische Staatsoper.
In der Titelpartie des Figaros stellte sich Rodion POGOSSOV vor, ein gut geschulter mächtiger Bariton, in seiner Auftrittsarie zurückhaltend, sang und spielte er sich im Laufe des Abends sehr gut in diese listige Rolle ein und konnte auch eigene Gags zeigen. Als Hausbeschließerin Berta Hanna-Elisabeth MÜLLER, die mit ihrer einzigen Arie im 2. Akt und in dieser Rolle völlig unterfordert war, mit einer solch überragenden Stimme sollte man große Partien singen dürfen.
In den Nebenrollen ist besonders zu erwähnen Dean POWER, der zusammen mit dem MÄNNERCHOR DER BAYERISCHEN STAATSOPER (Einstudierung Stellario FAGONE) besonders als Offizier mit Mannschaft eine hervorzuhebende Studie lieferte, dazu Andrea BORGHINI als Fiorello und last not least Leonard BERNARD als Diener Ambrogio und Wiwo LEEB als Notar.
Antonello ALLEMANDI erarbeitete mit dem BAYERISCHEN STAATSORCHESTER einen guten schwungvollen Rossini-Abend.
I.St.