„Wenn eine Kutsche auf die Bühne kommt, dann beginnt die Oper“, diesen Ausspruch soll der Komponist der Oper getan haben, und in der Tat, es kam so (es ist die Kutsche der Manon gemeint), obwohl dieses musikalische hochkarätige Verismo-Werk des Komponisten bereits schon eine Szene vorweg hatte, in der sich der Student Edmondo, Studenten und Mädchen bereits mit dem Publikum bekannt machten.
In dieser merkwürdigen Inszenierung des bereits verstorbenen Hans NEUENFELS, der die Oper in der Spielzeit 2014/15 an die Bayerische Staatsoper brachte, Premiere dort war am 15. November 2014, kamen zwischen den Akten immer wieder Texte, die kommende Handlung erläuternd, in Form von Zwischenaktbildern in Videos zum Publikum, obwohl diesem die Handlung bekannt ist, und dadurch der Musikablauf dieses so hochmusikalisch Verismowerks des Komponisten erheblich gestört wurde. Was wollte der Regisseur damit erreichen? Seine Regie-Auffassung nebst Bühne (Stefan MAYER) und vor allem die äußerst merkwürdig entworfenen Kostümen von Andrea SCHMIDT-FUTTERER, gerade letztere, kamen unverständlich (Pluderhosen etc.) und unpassend zu den jeweiligen Szenen zum Publikum.
Darum soll hier nur auf die hervorragende Interpretation von Puccinis-Musik bezüglich Dirigent, Orchester und Künstler eingegangen werden. Marco ARMILIATO, dessen Dirigatstil wieder mal das Publikum begeisterte, brachte das ORCHESTER DER BAYERISCHEN STAATSOPER an diesem Abend wieder einmal zu einer Höchstleistung, gerade bei den so bekannten Manon-Motiven fühlte man seine sichere Hand, und dazu brachte er die abendlichen Protagonisten zu einer stimmlichen Höchstleistung, obwohl gerade die Hauptpartien doch einige Male umbesetzt wurden, da die in dieser Produktion vorgesehenen Sänger leider aus irgendwelchen Gründen abgesagt haben.
In der Titelpartie hörte man die erste Umbesetzung, nämlich Joyce EL-KHOUDRY, die sich bis zu ihrer Todesszene stimmlich enorm steigern konnte. Eine kaum bekannte Stimme an der Bayerischen Staatsoper, man würde sie gerne in anderen Puccini-Partien wieder hören. Als ihr Bruder war Daniel Luis DE VICENTE auf der Bühne, der mit kräftigen Bariton-Tönen bestens disponiert, seine Rolle verkörperte.
Saimir PIRGU als Renato Des Grieux war wohl für diese Rolle eine Idealbesetzung, seine tenorale Höhe, und das nicht nur, riß das Publikum in seinen Arien – hier die berühmteste „Donna non vidi mai“ – zu wiederholten Beifallstürmen hin. Obwohl er auch als ein sogenannter „Einspringer“ fungierte, meisterte er diese seine Partie in ungewöhnlich hervorragender Leistung, und man wünscht sich diese Stimme jetzt an der Bayerischen Staatsoper öfter zu hören.
Martin SNELL als Geronte mimte stimmlich wie darstellerisch den alten Lüstling äußerst eindrucksvoll, während Granit MUSLIU als Student Edmondo, schon zu Beginn auf der Bühne, sich aber erst im Laufe der Handlungsfolge steigern konnte. Die übrigen Protagonisten in den kleineren Rollen, wie Christian RIEGER als Wirt, ein Musiker von Kelsey LAURITANO, ein Sergeant Pawel HORODYSKI, ein Laternenenanzünder von Andres AGUDELO und ein Kapitän von Andrew HAMILTON, waren in guter Abendform, während Kevin CONNERS als Tanzmeister, kaum erkenntlich kostümiert, wieder eine sehr gute Studie auf die Bühne brachte.
Die CHOReinstudierung lag wieder in den besten Händen von Christoph HEIL. – Man sang in italienischer Sprache mit deutschen und englischen Übertiteln.
Diese Inszenierung, die erst im Laufe der Handlungsfolge sich verbessern konnte, bedürfte dringend einer Überarbeitung, besonders die Kostüme, da sie ja schließlich in einer vergangenen Zeit spielen, wo man Mädchen entweder ins Kloster steckte, oder sie sich als Kurtisanen zur Verfügung stellen mußten. Das Libretto des dramma lirico wurde im übrigen nach der „Histoire du Chevalier Des Grieux et de Manon Lescaut“ im Jahre 1731 von Antoine-Francois Prévost von Marco-Praga, Domenico Olivia, Guido Ricordi und Luigi Illica verfaßt, so daß es gerade Opernkenner schwerfällt, sich mit dieser dubiosen Regie des lange nicht an der Bayerischen Staatsoper gehörten Werks abzufinden. I.St.