„Der junge Lord“ – 23. Mai 2019

Dieser Opernabend mit dieser so selten aufgeführten komischen Oper von Hans Werner Henze lag ganz in der Regie-Hand von Brigitte FASSBAENDER, die diese schwierige Handlung des Stücks voll im Griff hatte. Eine imaginäre deutsche Kleinstadt namens Hülsdorf-Gotha erwartet einen reichen englischen Gelehrten (stumme Studie von Dieter FERNENGEL) mit seinem Neffen Lord Barrat (mit sehr gutem nicht nur stimmlichem Darstellungsvermögen interpretiert von Maximilian MAYER), der sich am Ende als dressierter Affe entpuppt. Das Libretto von Ingeborg Bachmann nach einer Parabel „Der Scheik von Alessandria und seine Sklaven“ von Wilhelm Hauff will ein Kleinbürgertum aufzeigen, in welchem man sich nicht nur um die Wende vom 19. zum 20. Jahrhundert (Kostüme und Bühne Dietrich VON GREBMER) um die Gunst von nicht nur adeligen Personen bemüht, und dadurch in vieler Weise Schiffbruch erleidet, man sich im wahrsten Sinne des Wortes zum Affen macht, der sich in diesem Stück in voller Person zeigen kann. Es ist eine Satire aufgebaut auf Dummheit, Borniertheit und Nachäfferei.

Durch ihre durchdachte Regie ist es Frau Fassbaender gelungen, dieses Kleinbürgermilieu in vollem Umfang auf die Bühne zu bringen, vor allen Dingen zeichnete sie die einzelnen Charaktere der Handlungspersonen, die sie sogar bei Choristen und Statisten bei jedem einzelnen in den jeweiligen Szenen verwirklichte, zumal sie selbst in die jeweiligen Szenen durch kleine Monologe einführte. Unterstrichen wurde das Ganze noch durch ein Video, in dem Raphael KURIG und Thomas MAHNECKE dem Publikum bestens aufzeigten, wie diese Kleinstadt wohl auszusehen hätte.

Der musikalische Teil des Abends lag in den bewährten Händen von Anthony BRAMALL, der aus der Musik von Hans Werner Henze, die eigentlich an manchen Stellen doch die Tonalität verläßt und dann wieder zu ihr zurückkehrt (eigenes Zitat von Hans Werner Henze) uns diese ungewöhnlich gut hörbar machen konnte.

In der noch nicht erwähnten Reihe der vielen Protagonisten des Abends aus der Reihe des Programmheftes gab Christoph FILLER eine köstliche Studie von Sir Edgars Sekretär ab, unterwürfig und herrentreu gestaltete er seine Rolle. Begonia, die dunkelhäutige Dienerin, kam von Bonita HYMAN mit unwahrscheinlicher Bühnenpräsenz auf die Bühne und hatte bei jedem ihrer Auftritte die Lacher auf ihrer Seite, während Levente PÁLL als Bürgermeister vor allen Dingen, als er sich seine Empfangsrede einstudierte, eine Beststudie nicht nur stimmlich auf die Bühne brachte. Die übrigen Honoratioren wie Liviu HOLENDER, Holger OHLMANN und Juan Carlos FALCÓN waren bestens eingefügt. Lucian KRASZNEC als verliebter Student Wilhelm glänzte nicht nur stimmlich, hatte er doch in Mária CELENG als Luise eine Partnerin, die ausdruckstark in stimmlicher Darstellung wieder einmal ihr ganzes Können zeigen konnte.

Ann-Katrin NAIDU in der Rolle der Baronin Grünwiesel zeigte nicht nur bestdisponiert in ihren Soloszenen eine Bestbühnenerfahrung, Ilia STAPLE als Ida, Tochter der Oberjustizrätin Hansentreffer (Jennifer O‘LOUGHLIN dieses Mal in einer kleineren Gesangsrolle) dürfte ein Gewinn für das Staatstheater am Gärtnerplatz für Sopranrollen sein, die übrigen Protagonisten alle vorwiegend aus dem Ensemble des Staatstheaters am Gärtnerplatz, angeführt hier von Alexandros TSILOGIANNIS als Direktor eines Kleinstzirkus (sehr witzig gezeichnet die ganze Crew) waren für ihre Rollen bestens ausgewählt. CHOR und EXTRACHOR – Einstudierung Felix MEYBIER – sowie besonders der KINDERCHOR – Einstudierung Verena SARRÉ – liefen gerade bei diesem Stück in Höchstform auf.

Insgesamt ist zu bemerken, daß dieses zeitkritische Stück, um publikumswirksam auf die Bühne zu kommen, die verständliche durchdachte Hand eines perfekten und eine Partitur beherrschenden Regisseurs braucht und dazu ein Dirigat eines Könners der modernen Musik – und die dürften in Brigitte Fassbaender und Anthony Bramall gefunden sein. I.St.