4. Sonntagskonzert des Bayerischen Runddfunks
Mit dieser konzertanten Aufführung dieser kaum auf Bühnen aufgeführten frühen Oper von Giuseppe Verdi schoß der Bayerische Rundfunk den Vogel ab. Chefdirigent des MÜNCHNERRUNDFUNKORCHESTERS Ivan REPUSIC, der wohl Verantwortliche für solche konzertante Interpretationen unbekannter Werke großer Meister, gelang hier eine musikalische Höchstleistung, zumal ihm auch excellente Musiker zur Verfügung stehen, so der erste Konzertmeister des Orchesters Stanko MADIC, der mit einem unvergeßlichen Geigensolo im 3. Akt das Publikum begeisterte.
Giuseppe Verdis Oper, die er unmittelbar nach seiner ersten Erfolgsoper „Nabucco“ dem Publikum präsentieren konnte, enthält musikalische Höhepunkte, die nicht umsonst dazu hervorragende Gesangsinterpreten brauchen, die im Übermaß an diesem Abend zur Verfügung standen. Die Handlung des vieraktigen Werks zeigt den Einsatz der Kreuzritter für den christlichen Glauben auf, die im 12. Jahrhundert zum Einzug in das muslimisch besetzte Jerusalem führte, und der am Ende zum alleinigen ersten Sieg der Kreuzritter führte. (Libretto Temistocle Solera). Die vieraktige Oper, die auch in späteren Jahren unter der Bearbeitung Jerusalem auf manche Bühnen kam, schildert neben dem 1. Kreuzzug eine Familiengeschichte und spielt also teils in der Lombardei/Italien und teils in Jerusalem und schildert die Liebegeschichte einer versklavten Christin und einem muslimischen Herrschersohn, die mit dessen Tod endet und den Sieg der Christen aufzeigt.
Wie schon angedeutet, standen an diesem Abend Weltklasse-Sänger auf der Bühne, die zum Riesenerfolg dieser konzertanten Aufführung führten. So erlebte man Nino MACHAIDZE in der Rolle der unglücklich liebenden Christin Giselda, die das Publikum mit unvergleichlicher stimmlicher Disposition und ausgearbeiteter Technik für die großen Koloraturen des Stücks, gerade bei ihrem Gebet und der Schlußszene, begeistern konnte. In der weiteren Reihenfolge des Programmheftes konnte Reka KRISTOFF als Mutter der Giselda sich stimmlich sehr gut in die Reihe der best disponierten Kollegen einfügen.
Die Tenorpartie des Oronte, dem Sohn des Tyrannen Antiochias, und Geliebter der Giselda, der zum Christentum bekehrt, am Ende durch Engelsgesänge in den Himmel aufgenommen wird, wurde von Piero PRETTI gesungen, der sich in bester tenoraler Abendform befand. Galeano SALAS als Arvino, dem Führer der lombardischen Kreuzfahrer, von der Bayerischen Staatsoper kommend, konnte sich in dieser Tenorpartie wieder bestens seinem Publikum vorstellen. Miklós SEBASTYÉN als Pirro, Knappe des Arvino, konnte sich mit dieser Baß-Bariton-Partie gut in die Sängerriege einfügen.
Für den absoluten Höhepunkt des großen Stimmen-Abends sorgte allerdings Michele PERTUSI in der Partie des Pagano, der sich als Eremit versteckte, um der Rache seines Bruders Arvino zu entgehen, beide versöhnen sich aber vor ihrer beider Tod noch. Michele Pertusis bassistischer Vortrag wies keinerlei Mängel auf, seine Einfühlung in diese Rolle konnte er auch bei dieser konzertanten Aufführung zeigen, so daß er an diesem Abend neben Nino Machaidze zu diesem einmaligem Gelingen dieser Aufführung immens beitrug.
Zudem konnten sich auch noch drei Chorsolisten vorstellen, nämlich Ruth VOLPERT als Sofia, Nikolaus PFANNKUCH als Prior Mailands und Andreas BURKHART als antiochischer Tyrann, die wiederum die großartigen Stimmen des CHORS DES BAYERISCHEN RUNDFUNKS in diesen Solopartien vorstellen konnten. Das bestens durchkomponierte Werk Giuseppe Verdis enthält große Chorszenen, für deren Interpretation Stellario FAGONE, dem die Einstudierung oblag, in bester Weise sorgen konnte. Den Sängern wurde hier in der Gesamtheit sehr viel abverlangt, da sie großes sängerisches Darstellungsvermögen an verschiedenen Schauplätzen, sogar als Geisterstimnmen, zeigen mußten, was bestens gelang. Bei manchen Chorszenen erklangen Motive der späteren Opern des Komponisten, vor allen Dingen der Oper „Macbeth“, besonders hörbar im 3.Akt. Möge diese frühe Oper des Komponisten doch bald -gerade in der heutigen Zeit endlich wieder den Weg wie im vorigen Jahrhundert szenisch auf die Bühnen finden.
Es muß hier angemerkt werden, daß durch diese konzertante Aufführung bewiesen werden konnte, daß man nicht unbedingt eine Vorstellung in einem Opernhaus braucht, bei den heutigen Inszenierungen ohnehin eine schwierige Sache, um ein fast unbekanntes Werk wie hier kennen zu lernen, da man sich sein sog. eigenes gedankliches Bühnenbild‘ formen kann. Gratulation dem Bayerischen Rundfunk. I.St.