In alle Welt hinausgesandt, ob im Internet, Fernsehen oder Funk, die Bayerische Staatsoper war hier sehr aktiv und machte – wenn schon wegen Corona nicht im Haus – so doch in allen möglichen Medien ihre Neuinszenierung publik, um den Opernfreunden in aller Welt Richard Straussens Meisterwerk seh- und hörbar zu machen.
Der Regisseur Barrie KOSKY hatte es schwer, neben der 50 Jahre lang auf der Bühne der Bayerischen Staatsoper befindlichen unvergeßlich sensationellen Inszenierung von Otto Schenk mit dem unvergleichen Bühnenbild von Jürgen Rose (bei Beginn des 2. Akts im Palais Faninal gab es jedesmal Szenenbeifall) zu bestehen. Barrie Kosky verlegte die Handlung, die schließlich zur Zeit der Kaiserin Maria Theresia um 1740 spielt und auch die damaligen höfischen Verhältnisse aufzeigt, in eine Art Traumwelt, was vor allen Dingen der 2. Akt aufzeigt, wo Sophie ihren Bräutigam im Bett erwartet, und die Überreichung der silbernen Rose durch Octavian in einer silbernen Kutsche (soll im übrigen eine Nachbildung des nächtlichen Transportmittels von Ludwig II darstellen) stattfand.
Bühnenbild und Kostüme von Rufus DIDWISZUS und Victoria BEHR paßten im Großen und Ganzen sich der Inszenierung an, wobei letztere Kostüme der Moderne entwarf und erst durch die Bekleidung des Octavian bei der geträumten Rosenüberreichung etwas Nostalgie aufkam. Neu in der Inszenierung war wieder eine Zusatzfigur, nämlich ein halbbekleideter Cupido, dem römischen Liebesgott. Besetzt war diese stumme Rolle mit einem alten halbnackten Mann mit Flügeln. Was soll diese Figur in einem „Rosenkavalier“, gehört diese zur Traumfassung des Regisseurs?
Man spielte mit adaptierter Fassung in Text (Hugo von Hofmannsthal) und Musik, auch das ORCHESTER DER BAYERISCHEN STAATSOPER spielte in reduzierter Besetzung, was das Operndebüt in München von Vladimir JUROWSKI, designierter GMD der Bayerischen Staatsoper, nicht leicht machte, der sich im übrigen in einem Pauseninterview dahingehend äußerte, daß er eigentlich keinen echten Strauss dirigieren könne. Das alles wegen des Übels Corona, und trotzdem konnte GMD Jurowski einen hörbaren musikalisch wertvollen Strauss herausarbeiten. Bei dieser Inszenierungsauffassung war der CHOR mehr hinter der Bühne zu hören, Stellario FAGONE meisterte dieses Problem wie immer sehr gut.
Bei den Sängern erlebte man ein sensationelles Debüt von Marlis PETERSEN als Marschallin, ihre Rollenauffassung in stimmlicher Bestdisposition war – verheiratet mit einem wesentlich älteren Ehemann – sich durch junge Liebhaber einen gewissen Lebensgenuß zu verschaffen, was sie in Perfektion darstellen konnte, was vor allen Dingen in ihrem Monolog „Die Zeit, sie ist ein sonderbar‘ Ding.“ sehr gut herausgearbeitet erklang, zumal überhaupt die Uhr von Anfang an die Bühne beherrschte. Als Octavian erlebte man das Rollendebüt von Samantha HANKEY, deren Darstellung und stimmliche Tiefe sich bestens für diese Hosenrolle eignet. Ebenso debütierte als Sophie Katharina KONRADI mit einer sehr guten gesanglichen Ausdrucksform in einer mädchenhaften Darstellung, in Stimme und Darstellung harmonierten beide Künstlerinnen Samantha Hankey und Katharina Konradi sehr gut.
Christof FISCHESSER als Baron Ochs auf Lerchenau trat als verarmter eleganter Lebemann auf, fast hätte man ihm doch das junge Mädel Sophie anvertrauen können. Die Schlußszene des 2. Akts gelang ihm sehr gut, während generell der letzte Akt in Bühnenbild und Darstellung aller Beteiligter zu wenig humoristisches Bühnengeschehen zeigte, was sich auch in der Darstellungsinterpretation zeigte. Johannes Martin KRÄANLE als Baron Faninal erwies sich als vernünftige Besetzung dieser Partie, allerdings hat man ihn schon in bravouröserer Darstellung anderer Partien erleben können. Warum trug er Hörner am Kopf?
Jungfer Leitmetzerin war mit Daniela KÖHLER ausreichend besetzt, während die beiden Intriganten Valzacchi und Annina mit Wolfgang ABLINGER-SPERRHACKE und Ursula VON DEN STEINEN infolge der Regie total untergingen. Besonders auffällig und in stimmlicher Höchstform war der Sänger mit Galeano SALAS besetzt, der in einer Karikatur eines Kastraten wie Farinelli etc. auf die Bühne kam, hier war es dann wieder die Zeit um 1740. Manuel GÜNTHER aus dem Ensemble der Bayerischen Staatsoper trat in zwei Rollen des Wirts und des Haushofmeisters der Marschallin auf, was ihm wie immer gut gelang. Die übrigen Figuren waren mit den jungen Sängern des Opernstudios besetzt, die allesamt ihre kleinen Rollen voll ausleben konnten.
Mit dieser Inszenierung müssen wir nun leben, und viele werden der gewohnten Inszenierung von Otto Schenk nachweinen. I.St.