„Tosca“ – 20. Mai 2024

Der erste Akt der Oper, der librettogerecht in der Kirche San Andrea Valle in Rom spielen soll, spielt hier in einem Filmatelier, in dem Cavaradossi als Filmregisseur und zugleich als Hauptdarsteller fungiert.

Er stellt hier nackte Frauen vor die Leinwand, und läßt diese durch rote Farbe (oder soll es schon Blut sein) das Attavanti-Bild, für seine Auftrittsarie so wichtig, auf eine Leinwand zeichnen. Angelotti wird in einer Requisiten-Kiste versteckt, als einziges Zeichen eines kirchlichen Raums findet sich eine Madonnen-Statue auf der Bühne. Und so ging es weiter, was das anwesende Publikum am Ende des 1. Akts zu solchen Buh-Rufen und lautstarken Mißfallensäußerungen hinriß, so daß man das vollendet gesungene Tedeum des Scarpia am Ende kaum verstehen konnte. Viele aus dem Publikum verließen wohl aus Protest das Haus.

Nach der Pause ging es dann librettogerechter weiter, das Bühnenbild gerade im Palazzo Farnese und des Gefängnisses sowie die Kostüme von Monika PORMALE kamen hier handlungsgerecht und der Regie angepaßt zu einem gewohnten Verständnis, allerdings floß ungemein viel Theaterblut bei Cavaradossis Folterung und Tod.

Was hat sich der Regisseur Kornél MUNDRUCZÓ dabei gedacht, so eine Inszenierung dem Münchener Opernpublikum aufzutischen? Entgegen dem Libretto von Giacosa und Illica, das nach Originalereignissen der napoleonischen Kriege in Italien zu Beginn des 19. Jahrhunderts geschrieben wurde, legte er diese Liebesgeschichte zweier Künstler in die Zeit der Pasolini-Filme, soll hier die Liebe von Maria Callas zu Onassis aufgezeigt werden? Maria Callas zieht sich auch durch das umfangreiche Programmbuch. Warum?

Entschädigend für all diesen Regie-Unsinn waren Dirigent und Sänger, die hervorragend für dieses so hoch musikalische Werk des Verismo durch den Abend führten. Andrea BATTISTONI dirigierte mit dem ORCHESTER DER BAYERISCHEN STAATSOPER einen grandiosen Puccini, für dem ihm der Schlußbeifall der noch Anwesenden sehr dankte.

In der Titelpartie war Eleonora BURATTO eine Idealbesetzung, mit ausgefeilten Soprantönen, gerade in ihrer großen Arie des 2. Akts „Vissi d’arte“ konnte sie sich bestens den Anwesenden präsentieren, sie zeichnet auch noch eine starke Gefühlswärme in ihrem Vortrag aus. Startenor Charles CASTRONOVO als Cavaradossi konnte dieser seiner Figur eine stimmliche Bestdisposition bieten, nicht nur äußerlich für diese Rolle eine Bestbesetzung, sondern gerade in der Zeichnung des Freiheitskämpfers bewies er den dafür nötigen Idealismus.

Als Baron Scarpia erscheint Ludovic TÉZIER als eine Idealbesetzung, darstellerisch sowie in stimmlicher Bestposition zeichnete er diesen hinterlistigen und brutalen Mörder so, wie man ihn sich immer wieder vorstellt, bei ihm paßte sich jede Geste dem Libretto an. Gerade das Te Deum des 1. Akts kam in großer gesanglicher Perfektion zum Publikum. Cesare Angelotti von Milan SILJANOV kam zwar stimmlich bestens an, allerdings war er ziemlich verloren, aus seiner Kiste kriechend, im 1. Akt auf der Bühne, eine Flucht war kaum erkennbar. Der Mesner von Martin SNELL – hier als Hilfsregisseur auf der Bühne – war ebenfalls völlig verloren auf der Bühne, wie stets konnte er aber dies durch eine stimmliche gute Leistung ausgleichen.

Die übrigen Rollen waren mit Tansel AKZEYBEK als Spoletta und Christian RIEGER als Sciarrone ausreichend besetzt, ebenfalls der Gefängniswärter von Pawel HORODYSKI, die Stimme eines Hirten war wie immer von einem SOLISTEN DES TÖLZER KNABENCHORS besetzt, der sich offenbar im Stimmbruch befand. CHOR und KINDERCHOR DER BAYERISCHEN STAATSOPER und der MÜNCHENER KNABENCHOR unter der Einstudierung von Christoph HEIL sorgten bestens für die Chorszenen.

Wird sich bei dieser Inszenierung in Bälde Puccini in seinem Grab in Torre di Lago umdrehen? I.St.