„Martha“ – 19. November 2017

An diesem Abend vermißte man besonders Vicco von Bülow – alias LORIOT – der wohl vom Himmel aus diese seine so stimmige Inszenierung mit viel humoristischen Ideen seinerseits betrachtete, in der er das konservative Königreich Großbritannien bestens aufzeigte. Die Hauptfigur des Stücks Lady Harriet ist ja schließlich auch Hofdame der Queen Victoria, so daß man dieses Stück auch traditionell inszenieren muß. Die Handlung der romantisch-komischen Oper nach einer Dichtung von Wilhelm Friedrich mit dem Untertitel „Der Markt von Richmond“ ließ man im Programmheft von Loriot selbst erzählen:

Eine Adelige mit ihrer Zofe gehen als Mägde verkleidet und unter falschen Namen auf einen Stellenmarkt in besagtes Richmond, um sich die höfische Langeweile zu vertreiben, sich auf diese Weise zu amusieren, zwei Pächter Plumkett und Lyonel werben sie an, verlieben sich noch dazu in die beiden falschen Mägde, diese entfliehen der „ländlichen Idylle“ und lassen die verliebten Bauern zurück, sehen die beiden aber auf einer sich ausruhenden Jagdgesellschaft in einem Waldgasthaus wieder. Die Tragödie beginnt hier, da eine Verbindung der beiden Hauptprotagonisten aus Standesrücksichten damals nicht möglich war, sich aber herausstellt, daß Lyonel durch einen Ring, den man der Königin vorzeigt, doch dem Adelsstand angehört, hier greift Lady Harriet alias Martha voll ein und bietet Lyonel ihre Hand, die dieser tief gekränkt aber ablehnt, und jetzt muß sie sich wie auch ihre Zofe Nancy noch einmal als Magd verkleiden, um ihre Liebe zu beweisen. Das Stück endet very british: Plumkett ließt als Ehemann Zeitung, Lyonel strickt gelangweilt die britische Nationalflagge, und beide Damen führen ihr verstecktes Liebesleben mehr als normale Freundinnen weiter, und über all dem thront Queen Victoria, die britische Nationalhymne kam aus einem Grammophon „God save the Queen.“ Da die Premiere des Stücks noch zu Loriots Lebzeiten am 6.Juli 1997 stattfand, es sich also um eine Wiederaufahme nach zehn Jahren handelt, hat diese in keinster Weise mit Kulissen und Kostümen gelitten, Loriot hatte nicht nur die Regie, sondern auch Bühne und Kostüme geglückt inne und zauberte dadurch ein Altengland mit großer Geschicklichkeit auf die Bühne, in der er auch als stilllen Beobachter Richard Wagner auftreten ließ. Besonders einfallsreich und humoristisch auf die Bühne gebracht auch die Reiterinnen auf Pferdekulissen im 4. Bild.

Von der musikalischen Seite kann man nur bestes berichten, Andreas KOWALEWITZ dirigierte das ORCHESTER DES STAATSTHEATERS AM GÄRTNERPLATZ temperamentvoll partiturgerecht und ließ auch in der Sängerführung nichts zu wünschen übrig.

In der Titelrolle zeigte Jennifer O’LOUGHLIN wieder ihr großes sängerisches Können, der Ohrwurm der „letzten Rose“ konnte nicht besser interpretiert werden, ihre Zofe Nancy war Valentina STADLER, die ihren Part ausreichend zum Publikum bringen konnte, ebenfalls Martin HAUSBERG als Lord Tristan (deshalb hatte man wohl das Tristan-Motiv in die Ouvertüre eingeflochten).

Den Vogel des Abends schoß allerdings Lucian KRASZNEC als Lyonel ab, mit ausgefeilten lyrischen Tenorhöhen präsentierte er seine berühmte Arie des Stücks „Ach so fromm, ach so traut“, und „Mag der Himmel Euch vergeben“ endete in einer augezeichneten sängerischen Gesamtleistung aller Beteiligten Ende des 4.Bildes. Holger OHLMANN konnte sich als Plumkett gut präsentieren, und sang sein Lob auf der Porter-Bier ausreichend gut.

Markus WANDL und Christian SCHWABE als Richter von Richmond und Diener von Lord Tristan kamen gut beim Publikum an, während die drei Mägde von Ute WALTHER, Anna BROMAEUS und Iris BAUMHOF in ihren kurzen Einsätzen ebenfalls gut ausgewählt waren. Die dazugehörigen Pächter waren mit Frank-Oliver WEIßMAN und Markus HEISSIG ebenfalls gut besetzt, der Bobby von Konny HOFF und der hinkende Kellner von Michael RODRIAN trugen zur Belustigung bei. Die stummen Rollen einer Familie mit Kind waren ebenfalls eine gute Idee von Loriot im 4. Bild, das Kind aber sollte nicht mit Geklapper eines Metallbechers das Porter-Lied stören.
Dieses musikalische Kleinod eines unvergeßlichen deutschen Komponisten Friedrich von Flotow, der leider im Laufe seines Lebens nur zwei Opern komponiert hat, darf nicht vergessen werden und man kann dem Staatstheater am Gärtnerplatz nur danken für diese Wiederaufnahme. I.St.