Die Uraufführung dieser beliebten Operettenkomposition von Franz Lehar fand am 30. Dezember 1905 am Theater an der Wien statt, also zu einer Zeit, als es neun Jahre vor dem Ausbruch des 1. Weltkriegs politisch an allen Ecken und Enden brodelte, so daß sich die Menschen auf einem Tanz auf dem Vulkan befanden. Befinden wir uns nicht in derzeit ähnlicher Situation? Man sucht ähnlich wie damals Amusement in jeglicher Weise, um das drohende Kommen irgendwie abzuschütteln. Der Regisseur des Abends Josef E. KÖPPLINGER griff nun die Situation zumindest von damals in einer durchdachten und geglückten Inszenierung des Werks von Franz Lehar mit seinen zündenden und hinreissenden Melodien auf seine Weise auf, er personifizierte den kommenden Tod (in einer beeindruckenden stummen Studie dargestellt von Adam COOPER, der auch die Balletteinlagen choreographierte) und ließ diesen allgegenwärtig auf der Bühne von Anfang bis Ende bühnenpräsent mitspielen.
Nach berauschenden und geglückten Szenen mit den zündenden Melodien von Franz Lehar, die librettogerecht nach Victor Léon und Leo Stein auf die Bühne kamen, kam es zu einem nachdenklichen Ende des Werks, als endlich Hanna und Danilo vereint kein Happyend feiern konnten, denn das Faktotum Njegus (hier beeindruckend dargestellt von Sigrid HAUSER, also hier eine Hosenrolle) meldete den Ausbruch des 1. Weltkrieges und die Männer zogen vermutlich in den Krieg, allein blieb Hanna zurück, die der Todesengel wegtrug. Starb sie an gebrochenem Herzen? All dies gab Herr Köpplinger dem Publikum zu bedenken. Alles in allem aber kann man doch von einem geglückten Operettenabend mit sehr guten Regieeinfällen sprechen, vor allen Dingen waren Bühnenbild und Kostüme der Zeit der Jahrhundertwende angepaßt (Bühne Rainer SINELL/Kostüme Alfred MAYERHOFER). So reiste Hanna Glawari in einer Kutsche an, und der berühmte „kleine Pavillon“ war mit menschlichen, also beweglichen Säulen ausgestattet, auch ein Fahrrad mit Danilo als Fahrer trug zur Belustigung des Publikums bei. Durchdacht auch schon zu Beginn die Beerdigungsszene des alten steinreichen Glawari.
Das Publikum lernte an dem Premierenabend auch den neuen Chefdirigenten des Hauses Anthony BRAMALL kennen, der mit viel Gespür für Operette das ORCHESTER DES STAATSTHEATERS AM GÄRTNERPLATZ gekonnt durch den Abend führte.
Die Besetzung des Abends war gut gewählt, hier in der Reihenfolge des Programmheftes Hans GRÖNING als Baron Zeta, der eine sehr gute Studie erbrachte, Jasmina SAKR als seine Gattin Valancienne, der man „die antändige Frau“ auf den ersten Blick glaubte, Daniel PROHASKA als Graf Danilo, dessen Gestaltung dieser Partie sehr an den besten Danilo der Vergangenheit,nämlich Johannes Heesters anknüpfte (übrigens hat das Gärtnertheater durch einen Artikel im Programmheft an ihn erinnert), nur stimmlich ging er seine eigenen Wege bestdisponiert, Camille SCHNOOR als Hanna Glawari mit anfänglicher stimmlicher Zurückhaltung, die sie aber beim berühmten „Vilja- Lied“ völlig verlor, Lucian KRASZNEC als Rossillon in tenoraler Bestform.
Die weiteren Darsteller aus dem Ensemble des Staatstheaters Gärtnerplatz waren bestens ausgewählt, wo wieder einmal Dagmar HELLBERG als Praskowia als hypochondrische Rollstuhlfahrerin herausgegriffen werden muß. CHOR (Besteinstudierung Felix MEYBIER) und BALLETT fügten sich bestens in die Inszenierung ein, wobei man unter den Grisetten des letzten Aktes auch verkleidete männliche Tänzer fand.
Ein Operettenabend zum Nachdenken. I.St.