„La Cenerentola“ – 19. Juni 2024

Es ist in der heutigen Zeit immer wieder eine Freude, alte hervorragend gelungene Inszenierungen zu sehen, zumal, wenn sie auch noch der unersetzliche und unvergessene Jean-Pierre PONNELLE betreute, dem nicht nur die Inszenierung, sondern auch noch Bühne und Kostüme anvertraut wurden.

Die Premiere war am 20. Dezember 1980, sozusagen ein Oldie, und man muß hoffen, daß diese so stimmige und durchdachte Inszenierung nicht wieder ins Ausland wandert, so wie vor einiger Zeit unser von Otto Schenk im Verein mit Jürgen Rose inszenierter „Rosenkavalier“.

In dieser „Cenerentola“ gibt es große Männerchorszenen, die vom Regisseur so gestaltet wurden, daß alle männlichen Choristen szenisch tätig werden konnten, wie beispielsweise die Szene im Weinkeller und die Schlußszene mit Rührung zeigenden CHORISTEN mit Taschentüchern. Die Einstudierung der Chorauftritte lag in den Händen von Franz OBERMAIR, der sich bestens mit den Regieanweisungen der Vergangenheit befaßte. Am Pult des STAATSORCHESTERs stand Antonello ALLEMANDI, der mit sicherem musikalischem Gefühl für Rossinis Meisterwerk Sänger und Orchester durch den Abend führte. Eine besondere Aufmerksamkeit gebührt dem Hammerklavier von Alessandro PRATICÓ, der nicht nur den musikalischen Übergang zu den einzelnen Szenen schaffte, sondern auch noch einige Ausschnitte aus verschiedenen Rossini-fremden Musikstücken zur Belustigung des Publikums anspielte.

Das Libretto verfaßte Jacopo Ferretti zu Rossinis Meisterwerk, das unter dem Untertitel „La Bonitá in trionfo“ („Aschenputtel oder der Triumph der Herzensgüte“) am 25. Januar 1817 in Rom uraufgeführt wurde, und schon am 30.August 1818 kam das Werk ans Hoftheater in München. Rossinis Komposition ist ein musikalisches Kleinod mit ausgefeilten musikalischen Highlights, deshalb stellt es große Anforderungen auch an die Stimmen, die an diesem Abend voll erfüllt wurden.

In der Reihenfolge des Programmzettels konnte Lawrence BROWNLEE als Don Ramiro alle Register seines tenoralen Könnens ziehen, eine unglaublich gute Technik besitzt dieser Künstler, die ihm mühelos die erforderliche Höhe in seinen Auftritten ermöglicht. Eine Idealbesetzung. Als Dandini konnte man mit Nikolay BORCHEV ein Wiederhören und -sehen feiern, der diese Rolle mit humoristischem Können ausstattete, während eine Idealbesetzung wieder Misha KIRIA als Don Magnifico war, da er seinen voluminösen Stimmvortrag noch dazu mit einem hervorragenden schauspielerischen Können ausstatten konnte.

Die beiden „bösen“ Schwestern der Angelina-Cenerentola waren nicht nur mit stimmlicher vollendeter Perfektion auf der Bühne, sondern konnten auch darstellerisch das Publikum begeistern. Es waren hier Jessica NILES als Clorinda und Emily SIERRA als Tisbe auf der Bühne. Isabel LEONARD als Angelina war eine gute Wahl, vor allem konnte sie sich bis zu ihrer Schlußarie besonders steigern, die sie mit großem Mezzo-Können zum Publikum brachte. Der Alidoro von Roberto TAGLIAVINI war eine stimmliche Sensation, schon seine Auftrittsarie im 1. Akt zeigte eine abendliche Bestform mit ausgewogenem Stimmvolumen.

Diese Aufführung endete mit einem frenetischen Beifall des Publikums, mit solchen Rossini-Könnern müßte es möglich sein, das Publikum gerade für diesen Komponisten zu begeistern, denn Pesaro ist weit, und das Publikum lechzt nicht nur nach der Musik Rossinis, sondern auch nach durchdachten Inszenierungen wie an diesem Abend an der Bayerischen Staatsoper. I.St.