„Der Vetter aus Dingsda“ – 17. Dezember 2020 (Stream)

Was war das für eine Auferstehung der Ohrenwürmer unserer Kindheit, die man einstmals ohne das damals noch teure Fernsehen fast täglich im Radio hören konnte, und wo die Operette noch auf den einschlägigen Bühnen ihre Heimat hatte. „Ich bin nur ein armer Wandergesell“, „Strahlender Mond“ und vor allen Dingen „Onkel und Tante, ja das sind Verwandte, die man am liebsten nur von hinten sieht“ feierten in dieser Inszenierung von Lukas WACHERNIG ihre Auferstehung, zumal sich diese an die sechziger Jahre in Bühnenbild (sehr stimmig Judith LEIKAUF und Karl FEHRINGER), Kostümen (sehr passend dazu Dagmar MORELL) und Requisiten anlehnte.

So fand man in manchen Szenen Essensgerichte, an die man sich heute nur noch vage erinnert, da sie ja nach der Währungsreform entstanden sind. Welche Essenslust damals im Volke herrschte, fand in den Figuren der beiden „Verwandten“ Josef und Wilhelmine Kuhbrot (Josse und Wimpel) ihre Bestätigung, die in starker Leibesfülle auf die Bühne kamen. Hier sei der Maske ein großes Lob gezollt, zumal die beiden Darsteller Erwin WINDEGGER als Josse und Dagmar HELLBERG als Wimpel, wenn man sie in Natura kennt, kaum erkenntlich auf die Bühne kamen, wie auch die weiteren männlichen Darsteller. Eine großartige Abendleistung dieser beiden erstgenannten Künstler in Darstellung und vor allen Dingen Bewegung.

Das so selten heute auf den Bühnen gezeigte Werk von Eduard Künneke, dessen Uraufführung allerdings im Jahre 1921 – also im Zeitalter der sogenannten Goldenen Zwanziger Jahre – in Berlin stattfand, (so wird die Zeit nach dem 1. Weltkrieg benannt) – und die der junge Regisseur Lukas Wachernig gekonnt eben in die Zeit nach dem 2. Weltkrieg verlegte, enthält viel interessante und zeitgemäße Regie-Ideen, besonders belustigend die Gymnastik-Szene mit den beiden „Dicken“ im 2. Akt nach der Pause, schon deshalb, weil einstmals durch Aerobic usw. der Sportwahn bei den Deutschen ausbrach, auch ein Swimming-Pool mit Wasserrutsche ist zu sehen.

Musikalisch in allerdings reduzierter Orchesterfassung von Andreas KOWALEWITZ, der auch mit erfahrener Dirigathand gerade für die Operette das ORCHESTER DES STAATSTHEATERS AM GÄRTNERPLATZ und die Darsteller durch den Abend führte, waren alle Mitwirkenden in den besten Händen. Die Besetzung des Abends war ebenfalls rollengetreu ausgewählt, wobei man gleich zu Beginn die großartige Leistung der beiden in der Programmfolge am Schluß stehenden Diener der Kuhbrots erwähnen muß, nämlich Peter NEUSTIFTER als Karl und Holger OHLMANN als Hans, die beide in ihrer Darstellung immer wieder für belustigende Momente sorgen konnten.

Die Hauptpartie der Julia de Weert, die jahrelang schon ihrem Vetter Roderich die Treue hält, wurde in stimmlicher und darstellerischer Weise von Judith SPIEßER sehr gut verkörpert, zumal sie sich schon bei ihrem so bekannten Auftrittslied „Strahlender Mond“ dem Publikum mit einem besten sopranstischen Können präsentieren konnte. Ihre Freundin Hannchen wurde von Julia STURZLBAUM lieblich und mädchenhaft – so wie es sein soll – verkörpert, vor allen Dingen gefällt ihre stimmliche Interpretation dieser Rolle, dazu gesellt sich der Bariton Daniel GUTMANN, der den Verehrer der Julia intrigant und stimmlich gut disponiert darstellen konnte, und den man am Ende völlig zu Recht nach Batavia schickte.

In der Tenorpartie des Ersten Fremden, den Julia für den von ihr so geliebten Vetter Roderich (aus Dingsda) hält, der sich aber als der ihr als Ehemann von den Kuhbrots ausgesuchte Vetter August entpuppte, konnte Maximilian MAYER voll überzeugen, zumal er ja auch für den immerwährenden Ohrenwurm „Ich bin nur ein armer Wandergesell“ sich in ausgezeichneter Abendform präsentieren konnte. Der nun sehnlichst erwartete Vetter Roderich, der belustigenderweise in einem jetzigen Oldtimer der sechziger Jahre anreiste, wurde von Stefan BISCHOFF rollengerecht interpretiert. Am Schluß, wie könnte es anders in einer Operette sein, kamen die richtigen Paare zusammen (Julia mit August, Hannchen mit Roderich) und das von den alten Kuhbrots begehrte Geld bleibt in der Familie. Auch schwebte mit guter Trapezkunst Mona OSWALD als Lucy in the Sky am Ende wohl als Glückbringer über die Bühne.

Bunt und reichhaltig ausgestattet würde man dieses so belustigende Werk gerne und alsbald auf der Bühne in vollgefüllten Parkettreihen und Rängen wiedersehen. I.St.