„Simon Boccanegra“ – 17. April 2014

oder: wenn alles schief geht, und es ging so vieles schief an diesem Abend.

Hat denn der Regisseur Dmitri TEHERNIAKOV überhaupt das Libretto von Francesco Maria Piave gelesen, bevor er sich an die Inszenierung des Stücks heranwagte? Er machte aus dem mittelalterlichen Genua ein modernes, strich kurzerhand aus dem Vornamen der historischen Figur des Simone Boccanegra das e weg und inszenierte frisch fröhlich seine eigene Handlungsidee. War das wohl der Grund, warum zwei der vorgesehenen Hauptprotagonisten die augenblickliche ganze wieder aufgenommene Produktion abgesagt haben? Entgegen dem Text gab es keine Schwerter für Gabriele Adorno und Fiesco, dafür aber ein schickes modernes Auto am Beginn der Oper – na ja, die Dogen leben ja jetzt noch nach der Meinung des Regisseurs in Genua und Venedig, dazu kommen die merkwürdigen Kostüme für die beiden Liebenden Amelia (im unkleidsamen Teenagergewand) und Gabriele, letzterer scheint ein leidenschaftlicher Motorradfahrer zu sein, denn mit dieser Kleidung ließ man ihn bis zu seiner Hochzeit mit Amelia auf der Bühne.

Auch scheinen an diesem Abend die Abendinspizienten der Partitur nicht mächtig gewesen zu sein, denn Gabriele schickte man viel zu früh während Amelias Auftrittsarie zweimal auf die Bühne, und dazu hat die Besprechung auch keine Dienerin Amelias auf der Bühne bemerkt, angekündigt aber im Programmzettel, sie erscheint auch nicht im beiliegenden Textbuch des Abendprogramms. Da die Handlung dem Publikum durch Leuchtschrift erklärt wurde, braucht sich keiner das Programmbuch zu kaufen, und dadurch werden wie hier die erwähnten Ungereimtheiten auch nicht bemerkt.

Was nun die musikalische Seite anbelangt, so kann man trotz des Austausches der angekündigten Protagonisten von sehr guten Abendleistungen sprechen. In der Titelpartie erlebte man Andrzej DOBBER, dessen fülliger Bariton sich unglaublich bis zum Ende steigern konnte, als Amelia Grimaldi Tamar IVERI, deren Sopran allerdings mehr dramatisch als lyrisch erklang, aber dennoch sich sehr gut in die Herrenriege einfügte, so daß das am Ende der Oper erklingende Terzett (Simon, Amelia, Gabriele) zu einem Höhepunkt des Abends wurde.

Besagter Gabriele Adorno wurde von Stefano SECCO in tenoraler Bestform interpretiert, nur hatte man an seiner beginnenden politischen Karriere in Genua durch die Motorradkleidung erhebliche Zweifel. Vitalij KOWALJOW stellte einen seriösen stimmlich wohlklingenden Jacopo Fiesco dar.

Der Intrigant Paolo von Lewente MOLNAR erklang rollengerecht und wurde ebenso auch dargestellt, in den kleinen Rollen des Pietro und des Capitano sah und hörte man ausreichend Peter LOBERT und Francesco PETROZZI. Der CHOR DER BAYERISCHEN STAATSOPER war wieder einmal von Sören ECKHOFF bestens betreut. Bertrand de BILLY führte das BAYERISCHE STAATSORCHESTER mit sicherem und routiniertem Dirigat durch den Abend.

Ja, wenn Giuseppe Verdis Musik nicht wäre, ein Dank dem Komponisten für diesen Abend.
I.St.