„Salome“ – 10. Juli 2019

Man muß sich wohl daran gewöhnen beim Besuch von Neuinszenierungen, daß man als Publikum voll dem modernen Musiktheater unterworfen ist, denn heutige Regisseure entwickeln die seltsamsten Regie-Ideen, um altbewährte Opernhandlungen dem Publikum schmackhaft zu machen. So spielt sich hier die biblische Handlung der Salome in einem jüdischen Ghetto ab (vermutlich meint der polnische Regisseur Krzysztof WARLIKOWSKI das Warschauer Ghetto der Nazi-Zeit), wo sich die jüdischen Handlungspersonen versammelten, um ihre Angst vor dem Abtransport in ein KZ zu überspielen, in dem sie diese biblische Originalstory in Szene setzten. Dem am Ende wirklich stattfindenden Abtransport entgeht die Gruppe, in dem sie sich alle mit Zyankali vergiften, nur die nach der Bibel und nach der Dichtung von Oscar Wilde zu tötende Salome bleibt am Leben.

Das Bühnenbild und die Kostüme von Malgorzata SZCZESIAK paßten sich dieser Inszenierung an, nur ist nicht verständlich, was das bewegliche Video (Kamil POLAK) im Hintergrund mit Fabeltieren auf der Bühne zu bedeuten hat. Wie soll denn ein Normalopernbesucher dies alles in seinen Kopf bekommen?

Ein Glück, daß es die wundervolle Musik von Richard Strauss gibt, die man hier in bester Wiedergabe von Kirill PETRENKO mit dem BAYERISCHEN STAATSORCHESTER hören und erleben kann. Was macht München ohne diesen großen Musiker? Dies dürfte wohl das musikalisch beste Erlebnis für viele sein, allein schon die Sängerführung bei dieser schwer verständlichen Inszenierung war eine Meisterleistung des großen Dirigenten, da diesem auch eine Sängerin der Hauptpartie zu Verfügung stand, die ihr stimmliches Metier in Bestform zeigte, nämlich Marlis PETERSEN, die wohl für diese Partie derzeit die beste Wahl für ein Opernhaus ist. Ihr schauspielerischen Können, ihre Beweglichkeit nicht nur beim Tanz der 7 Schleier – sie tanzt hier mit dem Tod, eine Bestleistung von Peter JOLESCH – und vor allen Dingen ihre Stimmfärbung sind bewunderungswürdig. Man möchte ruhigen Gewissens Frau Petersen als „perfektes Bühnentier“ bezeichnen.

Wolfgang ABLINGER-SPERRHACKE als Herodes – hier als Rabbi – zeichnete seine Figur bestens stimmlich wie darstellerisch, ebenfalls Michaela SCHUSTER als Herodias. Wolfgang KOCH als Jochanaan konnte sich stimmlich wie darstellerisch gut präsentieren, während Pavol BRESLIK als Naraboth seine publikumsgewohnte beste Leistung wiederum erbringen konnte. Der Page der Herodias von Rachel WILSON verkörpert konnte sich bestens einfügen.

Die fünf Juden von Scott MacALLISTER, Roman PAYER, Kristofer LUNDIN und Kevin CONNERS sowie Peter LOBERT konnten ebenfalls eine gute Abendleistung erbringen, die übrigen Darsteller wie die Nazarener und Soldaten waren mit Callum THORPE, Ulrich REß, Kristof KLOREK und Alexander MILEV gut besetzt, ebenfalls der Kappadozier nebst Ehefrau von Milan SILJANOV und Jutta BAYER. Mirjam MESAK als Sklavin, die sich offenbar in Naraboth verliebt hat und ihn erst als Toten berühren konnte, war ebenfalls in dieser kleinen fast stummen Rolle ein Gewinn.

Bei diesem Abend kann nur die musikalische Höchstqualität aller Beteiligten in Erinnerung bleiben. Eine Publikumsstimme am Ende dazu: Eine traditionelle Salome-Darstellung in einer Inszenierung des modernen Musiktheaters. I.St.