„Eugen Onegin“ – 8. Oktober 2020

Diese Inszenierung von Ben BAUR, gleich zu Beginn der Saison 2020/2021 dürfte wohl in Regie, Bühne und Kostümen (Uta MEENEN) zu den besten und eindrucksvollsten Aufführungen, die das Staatstheater am Gärtnerplatz herausbrachte, gehören. Hier stimmte alles zur spannenden Handlung des Werks passend nach dem Libretto des Komponisten selbst und Konstantin S. Schilowsky, die sich beide nach dem gleichnamigen Titel eines Romans von Alexander Puschkin richteten.

Musikalisch erlebte man ein Neuland, nämlich corona-bedingt die reduzierte Orchesterfassung von Pjotr Alexandowitsch Klimow im Auftrag des Staatstheaters am Gärtnerplatz, die Dirigathand von Chefdirigent Anthony BRAMALL fühlte sich mit dem ORCHESTER DES STAATSTHEATERS AM GÄRTNERPLATZ hier sichtlich wohl, der Komponist mit seiner großartig durchkomponierten Oper fand dadurch eine beste Referenz. Bezeichnend für Tschaikowsky ist, daß dieser von der Handlung seiner Opern berührt sein mußte, bevor er sich zur Vertonung entschied. So geschehen bei der Vertonung von Puschkins Roman. Dieser musikalischen Berührung folgte wohl Anthony Bramall. Auf die allseits bekannte Handlung braucht daher nicht näher eingegangen zu werden.

Ben Baur gestaltete zu seiner handlungsgetreuen Regie ( nur die Kindfigur der Tatjana Elsa MACKENSEN und einige Onegin-Gestalten zu viel schufen etwas Verwirrung) ein sehbares gutes Bühnenbild, wobei ein Vorhang eine große Hilfestellung bei Verwandlungen schuf, ebenso waren die Kostüme von Uta Meenen den Gesellschaftsschichten Rußlands um die Jahrhundertwende angepaßt. Von den Sängern suchte man sich aus dem Ensemble des Gärtnertheaters an diesem Abend die besten Gesangsinterpreten aus, die das Haus derzeit hat.

In der Titelrolle glänzte Mathias HAUSMANN in einer großartigen Bestdisposition in baritonaler Färbung und Darstellung seiner Partie, sein Schrei, wider Erwarten seinen Freund erschossen zu haben, seine Depression hinterher und Tatjanas Verlust am Ende konnte nicht besser interpretiert werden. Als Tatjana war Camille SCHNOOR wieder in Stimme und Darstellung eine Bestbesetzung, nicht umsonst wurde ihre Briefarie vom Publikum umjubelt, sie konnte auch ihren Verzicht auf ihre wieder erwachte Liebe zu Onegin nicht besser gestalten. Dieser Künstlerin sagt man eine große Karriere voraus.

Lucian KRASZNEC als Lensky war Bestbesetzung, gerade bei „Kuda, kuda“ zeigte er eine sehr gute Stimmtechnik wie stets und konnte das Publikum durch eine sehr gute schauspielerische Leistung überzeugen (eine gute Regie-Idee, daß beide Freunde beim Duell nicht daran dachten sich zu töten, was aber bekannterweise daneben ging). Anna-Katharina TONAUER konnte als Olga in Spiel und Gesang absolut überzeugen, während Anna AGATHONOS als Filipjewna eine herrliche Studie der alten Amme abgab, die – wiederum eine gute Regie-Idee, vor Aufregung am Ende des 2. Akts durch die Turbulenzen am Herzinfarkt starb, was ihre Beerdigung beim 2. Bild nach der Pause bewies.

Ein großer Gewinn an diesem Abend war Sava VEMIC als Fürst Gremin, dessen berühmte Arie „Ein jeder kennt die Lieb‘ auf Erden“ in russischer Sprache (im übrigen sang man in Russisch mit deutschen Übertiteln) sehr zum Jubel des Publikums in perfekter Technik im Vortrag erklang. Die Rolle des Triquet – er ist wohl zur Auflockerung der Geburtstagsgesellschaft der Tatjana als Zauberer engagiert – sang Juan Carlos FALCÓN rollengerecht, ebenso als Larina Ann-Kathrin NAIDU. Die weiteren Rollen wie Trifon Petrowitsch, Saretzki sowie ein Vorsänger waren mit Martin HAUSBERG, Timos SIRLANTZIS und Petar IVANOV ausreichend besetzt.

Der CHOR DES STAATSTHEATERS AM GÄRTNERPLATZ unter der Leitung von Felix MEYBIER sowie die TANZSTATISTERIE unter der Choreographie von Lillian STILLWILL paßten sich sehr gut dieser großartigen Inszenierung an und rundeten diesen interessanten und spannenden Abend bestens ab.

Durch die Abstandsregelung ein halbleeres Parkett, Maskenpflicht überall (wann hat dieser Wahnsinn endlich ein Ende?) – aber trotzdem unendlicher Jubel am Schluß, man ging erfüllt nach Hause. Und dazu mit den eindrucksvollen Worten des Intendanten Köpplinger bezüglich Kunst zu Beginn der Vorstellung in Ohr und Herz. I.St.