„La Sonnambula“ – 8. Oktober 2015

An diese so selten gespielte Belcanto-Oper von Vincenzo Bellini wagte sich das Staatstheater am Gärtnerplatz als erste Aufführung in der Geburtstagssaison (es feiert seinen 150. Geburtstag und muß bedauerlicherweise verschiedene Spielstätten in München durch Sanierung und Renovierung des Hauses in Kauf nehmen) ins Münchener Prinzregententheater. Ihre „Sonnambula“ (die Schlafwandlerin) verlegten Komponist und Librettist (Felice Romani) in die Zeit nach der französischen Revolution, wo man sich mit der menschlichen Psyche auseinanderzusetzen versuchte, und wo merkwürdigerweise eine Schweizbegeisterung in ganz Europa herrschte, vermutlich wegen der freiheitlich denkenden politischen Situation dort, wo auch deshalb in Italien das „Il risorgimento“ im Norden und die Mafia im Süden entstand . So verlegte der Librettist die Handlung der Oper in ein schweizer Bergdorf (in dieser Inszenierung hervorragend herausgearbeitet und dargestellt mit Video von Meike EBERT und Raphael KURIG auch in den passenden Biedermeierkostümen von Andreas DONHAUSER und Renate MARTIN), wo sich Anina und Elvino das Jawort geben wollten, ohne daß man merkte, daß die Braut schlafwandelnd nächtlicherweise durch das Dorf zog und in andere Schlafzimmer, so des Grafen gelangte, dort vom Bräutigam aufgefunden wurde, was zu erheblichen Irrungen und Verwirrungen führte, was aber am Ende doch zu einem guten Ende kam.

Dazu komponierte Bellini reines Belcanto, ein Ohrenschmaus für jeden Liebhaber dieser Kompositionsart mit herrlichen Arien und Duetten für die Sänger, die darin ihr ganzes Können ausleben können. Vor allen Dingen strotzt diese Oper gerade für eine Sopranistin von ausgefeilten piani-Koloraturen, die gerade in der Schlußarie der Anina voll zum Tragen kommen. Und hierfür stand eine junge Sopranistin auf der Bühne, deren warmer bestgeschulter Sopran überhaupt aufhorchen läßt, nämlich Jennifer O’LOUGHLIN, eine Entdeckung für Belcanto-Partien. Hier saß jeder Ton, die Übergänge in Belcanto-Höhen und Koloraturen erklangen meisterhaft, man konnte sich geradezu in diese Stimme „schlafwandelnd“ einbetten. Auch konnte sie dieses unglückliche Mädchen in allen Szenen mit Liebreiz und naiver Unschuld darstellen.

Ihr zur Seite als Elvino ebenfalls eine Bestbesetzung für diese Partie, der Tenor Arthur ESPIRITU, der sich im Laufe des Abends immer mehr in die vom Komponisten verlangten Tenorhöhen hineinsteigern konnte und die Rolle des enttäuschten vermeintlich betrogenen Liebhabers sehr gut interpretieren konnte.Als den Grafen Rodolfo erlebte man den warmen russischen Bariton von Maxim KUZMIN-KARAVAEV, den gut aussehenden Herrenmenschen vermochte er auch gut darzustellen, während Maria NAZAROVA als heiratswütige Lisa mit ihrem Part stimmlich wie darstellerisch das Publikum sehr begeistern konnte.

Anna AGATHONOS als Aninas Mutter Teresa fügte sich bestens ein, ebenso Martin HAUSBERG als Alessio und Marcus WANDL als ein Notar. CHOR UND EXTRACHOR DES STAATSTHEATERS AM GÄRTNERPLATZ in den zauberhaften Kostümen des Biedermeier in der Besteinstudierung von Felix MEYBIER fanden viel Anklang beim Publikum, wie der Schlußbeifall bewies.

Marco COMIN dirigierte das ORCHESTER DES STAATSTHEATERS AM GÄRTNERPLATZ und zeigt immer mehr, daß er gerade für Kompositionen des 18. und 19. Jahrhunderts die richtige Dirigentenwahl ist, um die Kompositionsgedanken der jeweiligen Komponisten dem Publikum in Perfektion nahe zu bringen.

Und gerade für diese Oper verlangt es nach einer durchdachten zeitgemäßen und traditionellen Inszenierung, die Michael STURMINGER voll gelungen ist; schon durch die oben erwähnten Videos gelang es ihm, das Publikum und die Sänger in die Welt des schweizerischen ländlichen Biedermeiers zu entführen, so nur so, will das Publikum eine Oper generell sehen. Ein bravissimo dem Regisseur für diese seine Regieidee.

Ein unvergeßlicher Abend des Belcanto beim Staatstheater am Gärtnerplatz.
I.St.