„Boris Godunow“ – 6. Juli 2023

Eine historische Begebenheit auf eine Bühne zu bringen, um das Werk nicht zu entzerren, mag durch die Regie von Calixto BIETO wohl gelungen sein, obwohl man sich wieder mal in die Jetzzeit einordnen mußte, was aber wiederum durch die heutigen Verhältnisse in Russland (Krieg mit Ukraine) gar nicht so abwegig ist.

Der Titelheld lebte im Mittelalter, wo Brutalität und Machtgier, wie die Geschichte aufweist, Gang und Gäbe war, und in der heutigen Zeit ist es ja wohl nicht anders. Boris Godunow ist der Mörder des Zarewitsch Dimitry, und geht deshalb auch im Wahn der Reue in den Tod. Die Musik von Modest Mussorgski entsprang wohl ganz der russischen Seele, sie ist voller Dramatik und benötigt vor allen Dingen hervorragende Sänger, der russischern Mentalität und Sprachje eigen und dazu einen Dirigenten, der mit den russichen Kompositionen, hier vor allen Dingen eben Modest Mussorsky, vertraut ist und das konnte. Vasily PETRENKO mit dem ORCHESTER DER BAYERISCHEN STAATSOPER gut dem Publikum vermitteln.

Es standen aber auch meist russische und ukrainische Sänger auf der Bühne, die der russichen Sprache mächtig sind und daher die in russischer Sprache gesungenen Arien und Erzählungen inhaltlich gefärbt dem Publikum nahebringen konnten. Bühne und Kostüme (Rebecca RINGST und Ingo KRÜGLER) trugen durchdacht zu dieser Aufführung bei. Da das Werk eine sehr gute CHOReinstudierung baucht – gleich zu Beginn der Chor des unterdrücken Volkes – kann man diese von David CAVELIUS als gelungen bezeichnen.

In der Titelrolle trat nach langer Zeit wieder der ukrainische Bassist Alexander TSYMBALYUK auf, der auch die Premiere am 23. Februar 2013 übernmommen hatte, hier leider nur als Einspringer (warum?), dessen ausgefeilten Baßtöne schon zu Amfang eine gute Interpretation dieser Rolle voraussagten – schon die Auftrittsarie erklang bestens disponiert, und vor allem konnte er den Todeswahn am Ende sehr gut darstellen und stimmlich zeichnen.

Seine Kinder Fjodor (warum dieser in Mädchenkleidung?) und Xenia waren mit Daria PROSZEK und Emily PROGOREIC stimmlich gut besetzt, ebenso die Amme von Christina BOCK. Gerhard SIEGEL als Fürst Schuiskij konnte sich mit einer guten tenoralen Höhe gut einfügen, während Andrej Schtschelkalow von Sean Michel PLUMB in guten gesanglichen Händen war.

Hervorzuheben ist hier vor allen Dingen der Pimen von Vitalij KOWALJOW, der seine Erzählung vom Mord an dem kleinen Dimitry nicht besser auf die Bühne bringen konnte, die russische Seele war hier voll herauszuhören. Grigorij Otrepjew, der kommende falsche Dimitry, war bei Dmytro POPOWin den besten Händen, gesanglich wie darstellerisch, was besonders in der Schankszene mit Warlaam, gesanglich bestens interpretiert von Ryan Speedo GREEN, zum Tragen kam. Die Schenkwirtin war mit Rose NAGGAR-TREMBLAY rollengerecht besetzt. Der Gottesnarr war wieder einmal in den besten gesanglichen und darstellischen Händen von Kevin COMMERS, die Zeichnung dieser Figur könnte kaum von anderen Gesangsdarstellern so gut auf die Bühne gebracht werden.

Die übrigen Rollen wie Missail (Brenton RYAN), Nikilitsch (Nikita VOLKOV), Leibbojar (Aleksey KURSANOV), Mitjucha (Thomas MOLE) sowie der Hauptmann der Streifenswache (Christian RIEGER) fügten sich bestens in das Handlungsgeschehen ein.

Ein lang vermißtes Werk, gut geeignet gerade für die Festspiele 2023 der Bayerischen Staatsoper, war alles in allem in guter Interpretation auf der Bühne. I.St.