„The Phantom of the Opera“ – 17. März 2012

„The Brilliant Original“

Mit dieser Überschrift wird das Musical nach nunmehr knapp fünfundzwanzigeinhalb Jahren Laufzeit in London beworben. Und man muß sagen, grundsätzlich wirkt das Stück in dieser Produktion noch immer frisch. Einzig der Maskenball scheint nicht gut gealtert zu sein, die Kostüme wirken ebenso wie die Choreographie erheblich in die Jahre gekommen. Man befürchtet irgendwie, daß sich bei einer Berührung der Kostüme eine große Staubwolke erheben könnte.

Es war Earl CARPENTERs letzte Vorstellung in dieser Produktion (ab Oktober 2012 wird er die Rolle in der Tour übernehmen) als Phantom. Er nennt nicht die größte Stimme sein Eigen, aber was er damit anfängt, ist mehr als beeindruckend. Da sitzt jede einzelne Phrase, „Music of the Night“ wird so zu einem Psychogramm einer zutiefst zerrissenen Kreatur. Sein Phantom ist überlegen, übermächtig, wenn er das Theater beherrscht, aber sobald es um seine Gefühle geht, wird er unsicher, verletzlich und verletzbar. Wenn Christine ihn am Ende küßt, wirkt er davon vollkommen überfordert, weiß nicht, wie er mit soviel unbekannter Nähe umgehen soll. All dies nur mit der Stimme und der Körperhaltung ausgedrückt zu sehen – viel Mimik steht ja in dieser Rolle aufgrund der Maske nicht zur Verfügung – ist atemberaubend.

Ich kann mir derzeit keinen besseren Raoul vorstellen als Killian DONNELLY. Er schafft es den jungen Vicomte von dem langweiligen „Schaf“, als das er ursprünglich angelegt war, wegzubringen zu einem jungen, entschlossenen Mann, der eine echte Herausforderung für das übermächtige Phantom darstellt. Zudem hat er die stimmlichen Möglichkeiten, mehr als einfach nur nett zu klingen.

Mit Sofia ESCOBAR als Christine konnte ich mich leider nicht wirklich anfreunden. In der Darstellung blieb sie allgemein, und die Stimme scheint einfach nicht auszureichen, die ganze Partie zu durchmessen. Man kann sich einfach nicht erklären, warum sich zwei ziemlich faszinierende Männer ausgerechnet für sie interessieren.

Gareth SNOOKs André war ich schon bei der Übertragung des 25th anniversary concerts im November 2011 verfallen, soviel Spielfreude und Timing bringt er mit, daß er ganze Szenen stehlen könnte, wäre die Besetzung nicht ansonsten so gut. Duncan SMITH (Firmin) steht ihm da wenig nach, zudem bildet er sowohl stimmlich als auch darstellerisch einen schönen Kontrast. Schon beim ersten Auftritt kann man seine Vorgeschichte als Emporkömmling wie ein Buch lesen.

Wendy FERGUSON hat sichtlich unendlich viel Spaß an der Carlotta, der sich ohne weiteres auf das Publikum überträgt. Unüberhörbar ist dabei, daß sie wirklich singen kann und nicht versehentlich die unangefochtene Primadonna des Hauses war. Jeremy SECOMB unterstützt sie als Piangi mit viel Selbstironie und beachtlichen Stentortönen.

Cheryl McAVOY ist eine gute, wenn auch manchmal etwas wortundeutliche Madame Giry, Anna FORBES‘ Meg wirkt, als wäre sie nichts als ein kleines Schulmädchen und klingt dabei leider auch so.

Don Attilio in der „Il Muto“-Oper fiel ebenso positiv auf (was für Baßtöne!) wie die weiteren vier Nebenrollen dieses Stückes. Leider waren die Namen dieser Nebenrollen nicht auf dem Aushang vermerkt (und Duncan Smith, der für den Don Attilio im Programmheft stand, sang Firmin).

Die ebenso namenlose musikalische Leitung blieb unauffällig. MK