„Wir müßten mal wieder nach Lüneburg.“ – ein Satz, der uns seit Jahresbeginn häufig über die Lippen kam, aber irgendwie nie umgesetzt wurde. Jetzt aber, wenigstens Verdis „Trovatore“ sollte es sein.
Die musikalische Leitung war bei Thomas DORSCH in allerbesten Händen. Es ist lange her, daß wir ein so gutes „Trovatore“-Dirigat gehört haben mit viel Verständnis für die Leidenschaft und die Melodienseligkeit der Partitur. Die LÜNEBURGER SYMPHONIKER schafften das Kunststück im Gegensatz zu Orchestern mit größerem Namen und finanzieller Ausstattung einen absolut fehlerfreien Abend zu spielen.
Auf der Bühne war es der Abend der Frauen, zum Beispiel der grandiosen Sarah HANIKEL, die nicht nur Ines, sondern auch teilweise die Zeilen von Ruiz und dem Boten sang, was den Vorteil hatte, daß man ihrem glockenhellen Sopran mit dem warmen Klang noch ein bißchen länger zuhören konnte.
Die Azucena von Cornelia SALJE sang und spielte sich die Seele aus dem Leib. Mit dieser Leistung hätte die Sängerin auch an größeren Häusern die Jubelstürme ernten können, die sie an diesem Abend berechtigterweise erhielt. Eine Mezzostimme wie aus einem Guß, gut geführt, angenehm timbriert und zu Ausbrüchen und piani gleichermaßen fähig, hielt sie das Publikum vom ersten Ton an gefangen. Absolut erstklassig!
Iordanka DERILOVA (Leonora) ist eigentlich über die Rolle hinaus und muß sich sehr bemühen, die Stimme schlank und agil zu führen. Schwer hatte es sie mit der stereotypen Charakterisierung der Figur durch die Regie. Temperament und Leidenschaft blieben zugunsten von plakativen Gesten auf der Strecke. Wenn Leonoras „Tu vedrai che amore in terra“ schon auf die Bühne kommt, möchte man diesen Ausbruch nicht nur hören, sondern gern auch sehen.
Karl SCHNEIDER tat als Manrico das, was Karl Schneider seit gefühlt 20 Jahren tut, und womit er immer wieder durchkommt. An diesem Abend hörte man u.a. ein schöngestaltetes „Ah, si ben mio“ und eine wirklich gut begonnene Stretta. Die stimmliche Verfassung von Ulrich KRATZ (Conte di Luna) an diesem Abend möchte man – höflich – als bedenklich bezeichnen.
Philip BJÖRKQVIST sang einen grundsoliden Ferrando, der zu keinem Moment in der Partie an irgendwelche Grenzen stieß und dem man in der ersten Szene gerne zuhörte. Ebenfalls erfreulich war Juha-Pekka MITJONEN als „ein alter Mann“ (die Produktion versuchte in der Übertiteln und Rollenbezeichnungen möglichst politisch korrekt zu sein, was manchmal allerdings unfreiwillig komisch wirkte).
Die Damen und Herren des CHORS und EXTRACHORS in der Einstudierung von Elsone HAUGSTAD hatten einen sehr guten Abend und standen der Orchesterleistung in nichts nach.
Regisseur Stefan RIECKHOFF (Co-Regie: Oliver HENNES) hat sich die Sache einfach gemacht. Dort, wo er nur „holzschnittartig gezeichnete Charaktere“ sieht und hört, zeigt er auch nur dies, wobei aber die von ihm ebenfalls im Programmheft berufenen „Grundaffekte“, die jene Charaktere treiben, leider auf der Strecke bleiben. Liebe zeigt sich allein ein mit Kreide an die Wand gemaltes Herz. Für Hass und Rachedurst stand ein umgeworfener Stuhl, während sich die Eifersucht im Versuch, das Kreideherz abzuwischen, manifestierte.
Der Regisseur zeichnete auch für die Kostüme (dunkle Anzüge und Abendkleider, eines davon in rot) und das Bühnenbild (Hoffest in einer nicht näherbezeichneten Gegend sowie ein grauer Kasten für intimere Szenen) verantwortlich. Schade, szenisch ist es kein großer Wurf, birgt Verdis Musik doch eigentlich all die genannten Emotionen. Man müßte sie nur umsetzen.
Trotz einiger Abstriche ist und bleibt das Theater Lüneburg eine Heimstätte für ausgesprochen gutes Musiktheater. Wir werden wieder öfter kommen. Definitiv. MK + AHS