Operngala – 25. April 2020 (Stream)

Das Kieler Theater ist in diesen Tagen recht aktiv. Nach dem Streaming der letztjährigen „Aida“-Produktion aus dem Sommertheater ließ man sich nun etwas ganz besonders für diesen Samstagabend einfallen. Das Kieler Musiktheater schenkte seinem Publikum eine Operngala; nichts aus der Konserve, sondern ein komplett neu konzipiertes Konzert mit Highlights aus dem Musiktheaterprogramm und Sachen zum Neuentdecken.

Die aus gegebenen Hygienegründen gewählten unterschiedlichen Aufzeichnungsorte im Kieler Opernhauses sowie bei den Sängerinnen und Sängern zuhause gaben dem Ganzen eine Mischung aus (gut gemachter) Sonntagsnachmittagshow und Garagenkonzert. Die kompetent-launige Moderation von Operndramaturg Ulrich FREY und GMD Benjamin REINERS tat ihr Übriges.

Der Abend startete – natürlich – mit einer Ouvertüre. Solorepetitor John SPENCER und der 2. Kapellmeister Sergi ROCA spielten die zu Bizets Oper „Carmen“ in der Fassung für zwei Klaviere.

Das Liedrepertoire präsentierte Tenor Michael MÜLLER-KASZTELAN, begleitet von Benjamin Reiners (Klavier), mit Schuberts „Der Musensohn“ und „Breit über mein Haupt“ aus Richard Strauss‘ „Sechs Lieder aus ‚Lotosblätter’“.

Daß Verdi-Oper auch auch ganz ohne (Gesangs-) Stimmen klingt, bewiesen Igor ARMANI und Ishay LANTNER mit Themen aus „Rigoletto“ von Benedetto Carulli. Sie spielten „Caro nome che il mio cor“ und „Bella figlia dell’amore“ mit zwei Klarinetten.

Sopran Vigdis Bergitte UNSGÅRD präsentierte die erste gesungene Opernarie in Form von Corinnas „All’ombra almena“aus „Il Viaggio a Reims“. Unterstützt wurde sie von Birgit KAAR (Harfe).

Weitere Oper in der Fassung für zwei Klaviere hörte man mit Intermezzo aus „Manon Lescaut“ von Giacomo Puccini, auch hier mit Sergi Roca und John Spencer an den Instrumenten.

Kein gutes Konzert ist vollständig ohne Francesco Paolo Tosti. Bariton Matteo Maria FERRETTI und vor allem auch Sergi Roca (Klavier) bewiesen dies mit „Ideale“.

Eine Arie, die man, obwohl geplant, in dieser Spielzeit nicht auf der Kieler Bühne hören wird, ist die des Ramiro aus Mozarts „La Finta Giardiniera“. Mit „Dolce d’amor compagna“ brillierte Mezzosopran Tatia JIBLADZE, begleitet Sergi Roca (Klavier) – und ihrer Katze.

Ein Lehrstück darüber, wie man respektvoll komplett respektlos mit der Arbeit eines Kollegen umgeht, komponierten Gabriel Fauré und André Messager mit ihren „Souvenirs de Bayreuth“. Sergi Roca und Benjamin Reiners hatten augen- wie ohrenscheinlich viel Spaß bei der Darbietung der „Fantasie in Form der Quadrille über Themen aus dem ‚Ring’“. Und ihre Freude beim Spielen war ziemlich ansteckend.

Bariton Tomohiro TAKADA wiederholte mit „Mein Sehnen mein Wähnen“ seinen Erfolg aus „Die Tote Stadt“. Begleitet wurde er von seiner Frau Sakiko TAKADA am Klavier.

Die sicherlich größte Entdeckung des Konzerts war die Darbietung von „Vier Lieder op. 7“ des polnischen Pianisten und Komponisten Ignacy Jan Paderewski. Sopran Agnieszka HAUZER präsentierte mit ihrer Interpretation, bei der man zeitweise das Atmen vergaß, ein Stück musikalischer Geschichte ihrer Heimat, das neugierig auf mehr machte. John Spencer war hier der Begleiter (Klavier).

Der letzte Block beinhaltete Stücke aus dem Programm „Spatz und Engel“, in dem Fenja SCHNEIDER und Heike WITTLIEB die Freundschaft von Édith Piaf und Marlene Dietrich zelebrieren. Begleitet von Karsten SCHNACK (Akkordeon) und Bettina ROHRBECK (Klavier) sangen sie Michel Emers „L‘Accordéoniste“ (Schneider), „I wish you love“ von Léo Chauliac/Charles Trenet (Wittlieb) und gemeinsam „La vie en rose“.

Es war ein ruhiger, leicht wehmütiger Abschluß, der Situation wohl angemessen, aber es beschloß auch einen wirklich schönen Theaterabend.

Streamst du schon oder veröffentlichst du noch Piktogramme? In Kiel macht man vieles richtig, und es ist nicht allein der Punkt, eine Operngala zu kreieren und tatsächlich an einem Samstagabend zu streamen (ja, nicht jeder ist im Homeoffice). Wir haben uns zugegebenermaßen schon die ganze Spielzeit über gefragt, was man in der PR-Abteilung dieses Theaters morgens so im Kaffee hat, aber diese Energie und der Ideenreichtum in Sachen Social Media zahlen aktuell sich aus. Die Kieler Aktivitäten bringen zum Schmunzeln, zum Lachen und wohl am wichtigsten, sie machen Lust auf Theater, selbst wenn die Stimmung vielleicht gerade nicht danach sein sollte. Danke dafür! AHS

P.S. Wünschen wir uns ein Streaming von „Die tote Stadt“? Ja, klar. Würden wir für weitere Online-Konzerte auch bezahlen? Ganz sicher. Bis dahin, empfehlen wir einen Blick auf die Spendenkategorien – und deren Namen. ROFL