„Lucia di Lammermoor“ – 23. Februar 2020

Dem Regisseur und Ausstatter dieser Produktion, Paris MEXIS, kann man eigentlich nur Arbeitsverweigerung vorwerfen. Alle Sänger werden auf einer sich ständig drehenden leeren Bühne platziert. Die Kostüme wirken wie aus einer Folge von „Raumpatrouille Orion“, offenbar spielt das Ganze auch irgendwo im Weltraum. Warum das so ist, welche Einsichten es für das Stück bietet, erschließt sich nicht. Es könnte sich natürlich erschließen, wenn der Regisseur soetwas wie Personenregie abgeliefert hätte. So aber stehen sämtliche Figuren einschließlich des Chors stocksteif in Reih und Glied auf der Bühne, starren je nach Richtung, in welche sie die Drehbühne befördert, stur geradeaus und singen. Unter diesen Umständen hätte es auch eine konzertante Aufführung getan. Diese wäre wenigstens nicht durch die elf Male, die der Zwischenvorhang fällt, um eine neue Überschrift zu präsentieren, musikalisch unterbrochen worden. Einzig die Lichtregie von George TELLOS kann man als gelungen bezeichnen.

Sehr kurzfristig für Hye Jung Lee in der Titelpartie eingesprungen war Marigona QERKEZI, die am Vorabend noch in Pisa gesungen hatte. Ob sie die nicht vorhandene Regie umsetzte, indem sie als einzige Bewegung zeigen durfte, oder schlichtweg aufgrund des Einspringens darstellerisch einfach tat, was der Rolle geschuldet war, nämlich eine junge Frau, die von den Umständen so überfordert ist, daß sie in den Wahnsinn abgleitet, läßt sich nicht feststellen. Feststellen läßt sich allerdings ohne weiteres, welch großartige gesangliche Leistung sie zeigte. Vollkommen sicher in den Koloraturen und Höhen, in der Phrasierung dicht am Text und mit einem in keiner Lage an Grenze stoßenden Sopran wurde sie am Ende zu Recht vom Publikum frenetisch gefeiert.

Man hätte ihr einen besseren Partner als Edgardo gewünscht, als es Yoonki BAEK war. Dieser sang angestrengt, mit etlichen angeschliffenen Tönen, was im Laufe des Abends sich immer mehr bemerkbar machte. Was diese Figur antreibt, konnte er mit diesen stimmlichen Mitteln nicht deutlich machen, darstellerisch entzieht sich die Leistung aufgrund der Regie einer Kritik.

Thomas HALL könnte, wenn er sich denn bewegen dürfte, ein interessanter Enrico sein. Da ihm die Regie die Darstellung der Figur nicht ermöglichte, konnte er allein mit der Stimme punkten. Diese ist, was angesichts des sonstigen Repertoires des Sängers (Wagner, Strauss) nicht verwundert, über den Enrico hinaus. Er schafft es jedoch, sie soweit zurückzunehmen, daß ein dem Belcanto angemessenes Rollenporträt entstand, in der Wahnsinnsszene ließ er sich von Lucia richtiggehend mitreißen.

Als Raimondo war Ivan SCHERBATYH zu hören, der Lucias Beichtvater sehr solide sang. Da er auch nicht den beiden großen Szenen der Rolle beraubt worden war, konnte er sich vor allem in seinem Auftritt nach dem Tod Arturos profilieren. Wie auch alle anderen Figuren außer Lucia war er jeglicher Bewegungsfreiheit beraubt, so daß für große Interpretationen kein Raum war.

Michael MÜLLER-KASZTELAN als Arturo und Fred HOFFMANN als Normanno blieben eher unauffällig, während Alisa Margaret NEWCOMB aufhorchen ließ.

Der OPERCHOR (Leitung Lam Tran DINH) war in stimmlich sehr guter Verfassung, mußte allerdings sich noch einer besonders albernen Bewegungsregie unterwerfen. Sergi ROCA am Pult des animiert spielenden PHILHARMONISCHEN ORCHESTERS KIEL war den Sängern ein umsichtiger Begleiter und ließ das richtige Maß an Italianità hören. MK