Saint-Saëns’ bekannteste Oper – musikalisch ein Hybrid aus Oper und Oratorium, inhaltlich ein Hybrid aus „Lohengrin“, „Aida“ und „Siegfried“ – erzählt die biblische Geschichte des auf Grund seiner Haare überirdisch starken Hebräers Samson, der sein Volk gegen die Philister aus der Sklaverei führen will und sich in die Philister-Priesterin Dalila verliebt. What could possibly go wrong?
Die Inszenierung lag in den Händen von Immo KARAMAN (Regie und Bühne) und Fabian POSCA (Choreographie und Kostüme). Abgesehen von den Haaren gab es nur die Farben schwarz für die Hebräer und weiß für die Philister. Die Produktion erinnerte eher an ein Ballett. Es passierte eigentlich immer etwas auf der Bühne, aber so richtig konnte ich keinen Zugang zu der Bildsprache finden, gipfelnd in der Tatsache, dass der auf der Homepage mit Triggerwarnung angekündigte religiöse Selbstmordanschlag mir verborgen blieb – es sei denn das finale Bild, bei dem Samson auf einem Stuhl steht und der schwarze Vorhang vor den Philistern herunterfiel sollte dieses symbolisieren. Frank BÖTTCHERs Videos fügten sich in das Konzept unaufdringlich ein.
Andeka GORROTXATEGI verfügt über ein überaus angenehmes Timbre. Gemäß der Regie war sein Samson nicht der große Anführer. Es fehlte mir allerdings das letzte Quäntchen Emphase, die ich mit einem Freiheitskämpfer verbinde. Er spielte seine Stärken eher in den lyrischen Passagen aus. Thomas HALL überzeugte als hintersinniger Oberpriester des Dagon, dem man gerne etwas mehr Zeit auf der Bühne gewünscht hätte.
Das Highlight des Abends war allerdings Tatia JIBLADZE, deren Dalila keine Femme fatale ist. Sie empfindet tatsächlich etwas für Samson, wird aber dazu gezwungen, ihn zu verraten. Ihr Hohn im 3. Akt war auch darstellerisch herrlich unterschwellig gequält. Das „Mon coeur s’ouvre à ta voix“ habe ich noch nie so zart und berührend gehört. Darüberhinaus verfügt sie über die spannende Eigenschaft, ihre Gesangspartner noch eine Spur besser zu machen. Gerade die Szene mit Samson im zweiten Akt sorgte für Gänsehautmomente.
Weswegen die kleineren Rollen ihren Applaus nicht abholen durften, entzieht sich sowohl meiner Kenntnis wie auch meines Verständnisses. Changdai PARK war ein luxuriöser Abimélech, Jörg SABROWSKI ein solider alter Hebräer. David HEIMBUCHER als Bote der Philister, Wonjun KIM und Junggeon CHOIs Philister rundeten die insgesamt gute Ensembleleistung ab.
Agnes KÖHLER, Manja KOPP, Mascha LEUENHAGEN, Nina SCHOLZ, Jule STUHR, Mathilda VOß, Denis ADUTWUM, Philip BERGERMANN, Julian BUBLITZ, Andrey RUDNEV und Frederick STADE ergänzten tänzerisch.
Daniel CARLBERG zeigte die ganze Bandbreite der KIELER PHILHARMONIKER, die sowohl in den dramatischen Passagen, als auch in den ruhigen Passagen exzellent aufspielten. Wie sie das Finale des 1. Aktes quasi in fließendem Übergang zur atemlosen Stille meisterten war von atemberaubender Schönheit.
Dem standen der CHOR und EXTRA-CHOR unter Gerald KRAMMER in seinen zahlreichen Szenen in nichts nach. Auch darstellerisch konnten sie vollumfänglich überzeugen. WFS
P.S.: Sarkasmus der Tragik – Die Premiere der teilweise auch in Gaza spielenden Oper über religiöse Konflikte fand ausgerechnet am Tag des Angriffs der Hamas auf Israel statt… Um Korngold zu paraphrasieren: Krieg war, ist und wird sein. Tödlich, aber sinnlos.