Tanz der Vampire war das Musical, nach dem meine kleine Schwester ganz verrückt war und das meine beste Freundin ziemlich gern mochte. Also, weshalb es nicht einmal anschauen als es nach Hamburg zurückkehrte? Aber Moment mal, was für eine wundervolle Musik, was für eine fantastische, clevere Produktion, was für eine großartige Besetzung… Und wer bitte ist dieser Typ mit der faszinierenden Baritonstimme und dieser perfekten Charakterisierung des Grafen Krolock?!
Dieser Typ ist Jan Kříž. In Köln, der nächsten Station der Tanz der Vampire-Tour, vor seiner letzten Vorstellung als Graf Krolock, war er so nett, mit mir über Musicals, Opern and seine Karriere in beiden Genres zu sprechen.
Jan Kříž ist ein erfolgreicher Künstler. In der Tschechischen Republik, seinem Heimatland, ist er bekannt für seine Auftritte in verschiedenen Musicalproduktionen, von tschechischen Originalproduktionen bis zu international gespielten Stücken wie Grease, Sugar (Some like it hot), Saturday Night Fever and Rocky.
Zweimal gewann er den Ceny Thálie, den tschechischen Theaterpreis Thalia – im Jahr 2012 für seine Interpretation des Danny in Grease und 2015 für seine Darstellung in Dětiráje (Kinder des Paradieses). Und nachdem er den Schritt gewagt hat, sich dem Ungewissen durch Auftritte in einem anderen Land zu stellen, wächst seine Fangemeinde in Deutschland mit jeder Vorstellung von Tanz der Vampire.
Da seine Eltern beide im Theater tätig sind, war es nicht überraschend, daß in ihm die Idee von der Bühnenkarriere heranreifte. „Ich bin im Theater geboren“, erzählt er und ergänzt: „Immer, wenn Kinder auf der Bühne von Stadttheatern gebraucht werden, ist es normal, die Kinder von Leuten des Theaters zu nehmen. Bis ich fünfzehn war, habe ich eine Menge dieser Kindersachen auf der Bühne gemacht.“
„Ich habe nie wirklich über andere Berufe als ans Theater zu gehen nachgedacht. Ich war in dieser Welt. Wenn man im Theater geboren ist, hat man zwei Möglichkeiten – weit wegzulaufen oder eben genau das zu tun. So einfach ist das. Ich wollte immer ein Schauspieler sein.“
Er wollte auf die Schauspielschule, aber aufgrund ihrer Kenntnis des Berufes waren seine Eltern nicht Willens, ihn diesen Weg einschlagen zu lassen. „Aber einer meiner Theater-Onkel sagte mir, wenn die Bühne mich wolle, würde ich einen Weg finden – mit Schule oder ohne Schule. Und es ist wahr. Insbesondere an der Oper gibt es viele Leute, die aus unterschiedlichsten Berufen kommen, einfach, weil die Bühne die Leute findet. Es ist magisch.“
Aber er gibt auch zu, daß seine Eltern recht hatten. „Es ist wahr, es gibt viele erfolglose Leute beim Theater. Es ist traurig.“ Er erklärt, daß es in der Tschechischen Republik sehr viele Schauspielschulen gibt, die Nachfrage nach neuen Schauspielern aber nicht zur hohen, jährlichen Zahl an Absolventen dieser Schulen passen würde. „Das Problem ist, daß man, wenn man keinen Job als Schauspieler hat, grundsätzlich nur unterrichten kann. Das ist alles, was man nach diesen Schulen machen kann. Es ist Schule für nichts, wenn man kein Schauspieler ist.“
Jan Kříž besuchte also eine Hochschule für Spielzeugdesign und beendete seine Ausbildung als Bühnenbildner in Prag. Bereits während seiner Ausbildung trat er in einigen Aufführungen auf, nicht nur in Theaterproduktionen, sondern auch in Musicals.
Seine erste professionelle Show war Das Dschungelbuch im Jahr 2007. „Ich kannte Musicals vorher nicht. Mein Vater kam von der Oper, meine Mutter vom Schauspiel, und irgendwo in der Mitte davon fand ich meinen Weg.“ Das ist nicht der übliche Weg für Musicaldarsteller, wie er feststellen mußte. „Meine Kollegen sind Musicalfans. Sie liebten es als Kinder, also wollten sie es machen. In meinem Fall war das nicht so. Es war einfach so, daß ich die Bühne liebte, und irgendwann fand das Musical mich.“
Anfangs waren die Musicalauftritte sein Hobby, denn sein beruflicher Focus lag auf der Gestaltung von Bühnenbildern. Nach drei oder vier Jahren änderte sich das. „Jetzt ist die Bühnenbildnerei mein Hobby, und ich bin ein professioneller Musicaldarsteller.“Als Bühnenbildner war er allerdings mit verschiedenen Operetten und Balletten sowie Opernproduktionen wie u.a. Der fliegende Holländer, der Entführung aus dem Serail sowie zwei seiner Lieblingsopern, Rigoletto and La Bohème ebenso erfolgreich. In jüngerer Zeit entwickelte er die Bühnenbilder für Orpheus in der Unterwelt und für Noc na Karlštejně (Nacht auf dem Karlstein), einer musikalischen Komödie über Kaiser Karl IV, in der er derzeit auch gemeinsam mit seiner Frau, der Schauspielerin Marie Křížová, auftritt.
Nach fünf Jahren seiner musikalischen Karriere entschied sich der Sänger, an der TV-Casting Show Robin Hood – Cesta ke slávě (Robin Hood – Der Weg zum Ruhm) teilzunehmen. „Ich wollte diese Show machen. Es war Robin Hood, ein neues Musical, und ich wollte diese Rolle. Der einzige Weg, sie zu bekommen, war durch ein Fernsehcasting. Also, sagte ich, okay, ich werde es versuchen. Und ich gewann es. Es war sehr gut, sehr intensiv.“ Diesen Wettbewerb, der in gewisser Weise mit American Idol zu vergleichen ist, aber höhere Ansprüche an die Teilnehmer stellte, gab es bisher nur einmal im tschechischen Fernsehen. „Jede Woche mußte man eine Musicalnummer, in der Stimmlage, die man sich aussuchen konnte, präsentieren. Es war mit Tanz und allem. Es war sehr intensiv, sehr hart, aber es war cool und eine gute Erfahrung.“
Seine Popularität liegt jedoch nicht nur in dieser Fernsehshow begründet. „Musical ist in der Tschechischen Republik sehr beliebt. Wir haben sehr viele Musicals.“ Er erklärt, daß man, wenn man in seinem Land Musical auf hohem Niveau spielt, durch die hohe Popularität des Genres recht schnell bekannt wird.
Trotz des Erfolgs entschied Jan Kříž im Jahr 2017, neue Wege zu beschreiten. Es wäre nicht leicht gewesen, erzählt er, aber nach dem Besuch einer Rocky-Aufführung in Hamburg und der Zusammenarbeit mit Christoph Drewitz für die Rocky-Produktion in Prag im Jahr 2016, gab er einem Vorsingen in Deutschland eine Chance und wurde als Cover für die Rolle des Grafen Krolock angenommen. „Es waren viele Zufälle und eine harte Entscheidung für mich, weil ich in Prag viel absagen mußte.“ Damals spielte er in zehn oder elf Musicals gleichzeitig.
Er wird nicht müde, die Theater zuhause zu preisen, die ihn und seine Entscheidung, für ein Jahr nach Deutschland zu gehen, unterstützten, obwohl alles am Ende sehr schnell passierte. „Ich hatte eine Woche, um mit meiner Frau zu besprechen, ob ich für eine Position als Cover nach Deutschland gehen würde, zu riskieren eine Spielzeit in Prag zu verlieren, in meinem Land, und mit den Shows zu klären, wie alles zu lösen sei“, erinnert er sich. „Es war keine leichte Entscheidung. Jeder in Prag war wirklich großartig. Die Produzenten halfen mir, es irgendwie zu lösen und herauszufinden, wie es am besten zu machen wäre.“
Am Ende funktionierte alles, und die Entscheidung wurde bewußt getroffen. „Ich wollte die Erfahrung wie es hier in einer lang laufenden Show, in dieser Art großer Show ist, wie es ist, in einer anderen Sprache zu spielen.“
Die fremde Sprache war eine Herausforderung, aber eine die er so schnell wie erfolgreich meisterte. „Man muß wissen, was man singt, und wie man so gut wie möglich klingen kann, nicht wie ein Deutscher, aber wie eine Person, die diese Sprache benutzt.“ Er erläutert, daß er auf diesem ersten Level sein Englisch verbessern mußte, da dies die Arbeitssprache im Stage-Team ist. Außerdem arbeitete er an seiner Phonetik im Deutschen. Zu dieser Zeit war sein Ziel, daß das Publikum verstand, was er sang – selbst mit seinem Akzent. „Danach versuchte ich, meinen Akzent so gut wie möglich loszuwerden.“
Trotz des Feedback seitens einiger Zuschauer, daß sein Akzent gut zum Grafen paßt, ist Jan Kříž entschlossen, seine Fähigkeiten in der deutschen Sprache weiter zu verbessern. „Ich will nicht wegen Krolock an meinem Deutsch oder an meinem Akzent arbeiten. Einige Leute sagten mir, daß ich meinen Akzent nicht aufgeben, den Akzent für diese Rolle behalten sollte. Es ist wahr, aber nicht mein Punkt.“ Er glaubt, daß es eine schwierige Balance zwischen dem Besitzen eines Akzents und dem Vertrauen der Leute darauf, daß man die Sprache kennt, ist.
„Auf der Bühne ist für mich der Punkt, daß die Leute mir vertrauen, daß ich mit der Sprache vertraut bin, daß ich absolut verstehe, was ich singe, und daß ich die Sprache fließend beherrsche.“ Um sein Deutsch weiter zu verbessern, geht er neue Wege, indem er seine Fans bat, ihn dabei mittels Skype-Sessions zu unterstützen.
Aktuell gibt es keine konkreten Pläne, nach Deutschland zurückzukehren. „Ich mag es, daß die Situation nun offen ist.“ Nichtsdestotrotz tunsich bereits neue Möglichkeiten auf. „Aber natürlich habe ich eine Karriere in Prag, und ich mag meine Karriere in Prag. Ich bin in einer guten Position.“ Er sieht dort Rollen, die er in Deutschland aufgrund seines Akzents und dem Punkt, daß er in Deutschland im Grunde unbekannt ist, noch nicht machen kann. „Ich versuche die Situation als Plus, als Bonus zu sehen und nicht, daß ich entscheiden müßte, in welchem Land ich in Zukunft arbeiten möchte“, erklärt er, bevor er hinzufügt: „Ich mag dieses Land definitiv. Ich mag die Art wie man hier Musicals macht.“
Er gibt zu, daß er keine Traumrollen hat. „Ich habe ein solches Glück mit Rollen. Ich habe so viele großartige Rollen gespielt“, schwärmt Jan Kříž. „Ich bin ein sehr glücklicher Bühnenbildner und ein super glücklicher Musicaldarsteller.“
So, was gibt es als Nächstes? „Ich werde eine neue Show in Prag und eine neue Show an einem tschechischen Stadttheater machen.“ Er ist in Gesprächen über eine neue Möglichkeit in Deutschland, die sehr interessant für ihn wäre. Informationen über zukünftige Termine finden sich auf seiner tschechischen Website www.jankriz.com oder auf der deutschen Version www.jankriz.de. Außerdem besitzt Jan Kříž ein eigenes Instagram-Account @jankriz_official.
Sollte es ihn so schnell nicht wieder an deutsche Gestade treiben, kein Problem. Prag ist immer eine Reise wert. Und wer auch immer Musical mag, sollte diese Mixtur aus einer großartigen Stimme und ausgefeilter Darstellung nicht verpassen.
AHS (Juli 2018)