„Simon Boccanegra“ – 18. Juni 2023 (Ergänzung)

Die letzte “Simon”-Vorstellung in dieser Lübecker Spielzeit brachte zwei Besetzungsänderungen.

Als Fiesco überraschte Rúni BRATTABERG, der die ersten beiden Vorstellungen krankheitsbedingt nicht hatte singen können, mit achtbarem Verdi-Gesang auf Linie. Er hatte diese zwar nicht immer zu 100 Prozent, absolvierte die Vorstellung aber mit einer durchaus veritablen stimmlichen Leistung. Seine Interpretation der Figur war bis ins Kleinste überlegt. Die letzte Szene zwischen Fiesco und Simon wurde so zu einem brillanten Kabinettstück an Timing, stimmlicher Harmonie und perfekten Zusammenspiel beider Sänger.

Laurence KALAIDJIAN ist ein weiterer Beweis dafür, welch gute Sänger man derzeit in Lübeck im Ensemble und Opernstudio zusammengetragen hat. Sein Paolo war noch nicht so brillant wie der der Premierenbesetzung, der junge Bariton bringt aber bereits ein gutes Gespür für die Charakterisierung der Partie, sowohl in gesanglicher als auch darstellerischer Hinsicht mit.

Nun hörbar erkältungsfrei, konnte Gerard QUINN seine Stärken in Sachen Verdigesang voll ausspielen. Die perfekte Spiegelung der jeweiligen Stimmung im nuancierten Gesang bis hin zu Simons letztem verzweifelten „Maria!“ verlieh dem Dogen nicht nur Glaubhaftigkeit, was Amt und Herkunft angeht, sondern zog das Publikum ebenso in seinen Bann wie die die Genueser.

Bei Flurina STUCKIs Amelia steht weniger der reine Liebreiz im Mittelpunkt. Sie punktet wie ihre angenehm strömende Stimme mit Temperament und Facettenreichtum und hob die Figur mit kleinen Ideen aus ihrer Randposition – wie Amelia z.B. Simon als wiedergefundenen Vater in Sachen Gabriele ganz mühelos um den Finger wickelte, war einfach amüsant zu beobachten.

Bei Yoonki BAEK hörte man an diesem Abend tatsächlich Timbre und Phrasierung. Er ist nun auf einem guten Weg, was die stimmliche Gestaltung Gabriele Adornos angeht. Changjun LEE (Pietro), stimmlich wieder ausgesprochen beeindruckend, gewann diesmal mit seinem Schlußauftritt den Wettbewerb um die gelungenste Inkarnation des Bösen. Noah SCHAUL (Hauptmann) macht es einem ebenso schwer, geduldig auf größere Aufgaben für ihn zu warten.

Auch wenn wir noch Karten für eine weitere Vorstellung in Lübeck haben. war dieser Nachmittag so schön, daß man ein wenig wehmütig wurde, weil die Spielzeit nun ihrem Ende entgegengeht. AHS