„Von Sehnsucht und Mondschein“ (6. Kammerkonzert) – 17. Juni 2019

„Aristoteles, Empedokles, Aeneas, Parmenides…“ – der TdV-Hit „Bücher“ kommt einem beim Betreten des Scharbausaals, bzw. schon des Mantelssaals in der Stadtbibliothek Lübeck sofort in den Sinn, und vor beinahe vierhundert Jahren eröffnete denn auch in eben jenem Scharbausaal die erste öffentliche Bibliothek der Hansestadt.

Vielleicht nicht hunderttausend Bücher, aber eine ganze Menge waren zu entdecken, die eigentlich zum sofortigen Stöbern animierten, aber dafür war das Publikum an diesem Abend nicht gekommen, obgleich das Thema Literatur eine große Rolle spielte.

Das mit „Von Sehnsucht und Mondschein“ überschriebene 6. Kammerkonzert der diesjährigen Spielzeit des Lübecker Theaters bot neben Streichquartetten von Leoš Janáček und Claude Debussy auch musikalische Poeme von Respighi und Barber.

Inspiriert von Percy B. Shelleys Gedicht „The Sunset“ komponierte Ottorino Respighi 1914 sein lyrisches Poem für Stimme und Streichquartett. „Il Tramonto“ erzählt die tragische Geschichte eines Liebespaars, das eben noch in Erwartung des Sonnenaufgangs jenen Sonnenuntergang verfolgt, am nächsten Morgen jedoch durch den Tod getrennt ist.

Janáčeks Streichquartett Nr. 1 ist eine Art musikalische Fanfiction zu Lew Tolstois Roman „Die Kreutzersonate“, für den Beethovens Violinsonate Nr. 9 titelgebend und Inspiration war. Das Stück besitzt einen unglaublichen Facettenreichtum. Es ist in seiner musikalischen Intensität und der Macht, Bilder zu erzeugen, vielleicht am ehesten mit Janáčeks Oper „Osud“ vergleichbar.

Samuel Barbers „Dover Beach” aus dem Jahr 1931 spiegelt die melancholische Stimmung des hier vertonten Gedichts von Matthew Arnold perfekt und gibt, der Grundlage gleich, dem Zuhörer viel Raum für Interpretation.

Im Jahr 1893 schrieb Claude Debussy sein (einziges) Streichquartett g-Moll op. 10. Zwischen diesem und den anderen an diesem Abend dargebotenen Werke liegen musikzeitlich Welten und doch war es, als einer der Vorboten dieser anderen musikalischen Welt, der passende Abschluß für diesen Konzertabend.

Bariton Gerard QUINN bewies drei Tage nach der „Traviata“-Premiere seine gesangliche Kunstfertigkeit auf einem weiteren musikalischen Feld. Insbesondere „Dover Beach“ gelang perfekt. Unbedingt mehr Lied, please.

Für das Holsten-Quartett haben sich mit Azadeh MAGHSOODI und Dobromiła HAŃĆKA (Violine), Carrie ROBINSON (Viola) sowie Fabian SCHULTHEIS (Violoncello) vier ausgesprochen talentvolle junge Leute zusammengefunden, denen es hier nicht nur mit der Stückauswahl, sondern vor allem mit ihrer akkuraten wie frischen Spielweise gelang, auch wenig Kammermusik-affine Zuhörer komplett zu fesseln.

Ein wirklich schöner Abend in (literatur-) historischem Ambiente. AHS