„Otello“ – 1. Juni 2018

Die Inszenierung von Bernd Reiner KRIEGER ist im guten Sinne solide. Es sind dunkle Farben im Bühnenbild (Momme RÖHRBEIN) vorherrschend. Man lebt in einem Militärkomplex, Otello und auch Desdemona werden grundsätzlich von Soldaten begleitet. Uniformen sind vorherrschend. Ob es zeigen soll, daß die Venezianer in Zypern als Besatzer anwesend sind? Dann ist dies nicht deutlich genug herausgearbeitet. Ansonsten ist die Regie unauffällig und stört nicht, bringt aber auch keine neuen Erkenntnisse für das Stück. Etwas irritierend ist, daß der letzte Akt offenbar nicht in Desdemonas Schlafzimmer, sondern einer Kirche zu spielen, aber das ist nichts, worüber man sich aufregend müßte. Die Kostüme (Angelika RIECK) sind sehr kleidsam und ansehnlich.

In der Titelrolle ist Marius VLAD zu erleben. Schon nach den ersten Tönen ist man in Sorge, ob er die Partie durchhalten wird. Das tut er zwar, aber es sind dann doch zuviele technische Probleme vorhanden, als daß eine wirkliche Interpretation der Figur möglich wäre. Bei seinem Selbstmord bleibt man seltsam unbeteiligt, wie man mit ihm auch in seiner Eifersucht nicht wirklich mitfühlt.

Desdemona María Fernanda CASTILLO schafft es, die Rolle nicht als Trauerweide erstarren zu lassen. Die Stimme spricht in allen Lagen gleich gut an und ist angenehm timbriert. Allerdings fehlt es an dem in dieser Partie unbedingt notwendigen Aufblühen der Stimme, was besonders beim „Lied von der Weide“ auffällt, und die Wortdeutlichkeit läßt ebenfalls zu wünschen übrig.

Nach dem großartigen Holländer waren die Erwartungen an Michele KALMANDYs Jago hoch. Ganz erfüllen konnte er sie nicht. Zwar war er als Figur angemessen böse und rein stimmlich war nichts zu bemängeln. Ein wenig setzte er jedoch zu sehr auf pure Stimmkraft, wo man sich etwas mehr Eleganz in der Phrasierung gewünscht hätte, durch die er soweit sich in Otellos Gehirn schleichen kann. Nichts gegen Kalmandy, der eine angemessene Besetzung darstellt, allerdings stellt sich die Frage, aus welchem Grund ein Gast für eine Rolle engagiert werden muß, wenn ein ausgezeichneter Jago im Ensemble vorhanden ist, der die Rolle auch schon an der Semperoper gesungen hat, und die Sparvorgabe für das Theater beinhalten soll, mehr aus dem Ensemble zu besetzen.

Ein Luxus-Cassio ist sicherlich Juraj HOLLÝ, der nicht nur auffallend schönstimmig ist, sondern auch einen sehr überzeugenden Betrunkenen spielt. Auf ebenso hohem Niveau Julia GROTE als Emilia, der man zutrauen würde, ihren Mann früher zu durchschauen, als sie es librettogemäß darf.

Ludovico Minhong AN und Montano Taras KONOSHCHENKO hätten besser die Rollen getauscht. Die große Baßstimme von Konoshchenko hätte eher zu der Autoritätsperson Ludovico gepaßt, während die lyrischere Stimme von An besser beim Montano aufgehoben gewesen wäre.

Hojung SONG war ein sehr guter Rodrigo, als Herold ergänzte Lucas KUNZE. Aus welchem Grunde die Tänzerin Katja GRZAM in ihrer eigenen Choreographie zum Feuerchor sehr merkwürdige Schritte zeigte, hat sich mir nicht erschlossen.

Wie schon in einigen Vorstellungen zuvor waren auch diesmal beim CHOR und EXTRACHOR DES THEATER LÜBECK die Frauenstimmen den Männern überlegen. Der KINDER- UND JUGENDCHOR DES THEATER LÜBECK UND DER MUSIK- UND KUNSTSCHULE LÜBECK machte seine Sache ordentlich.

Das PHILHARMONISCHE STAATSORCHESTER unter der Leitung von Andreas WOLF spielte ordentlich, aber konnte nicht ganz an die Leistungen beispielsweise im „Fernen Klang“ anknüpfen und war teilweise zu laut. Die Balance zwischen Graben und Bühne wurde jedoch gewahrt. MK