„Jewgeni Onegin“ – 22. Februar 2023

Ja, es gibt Leute, denen diese Produktion zu angestaubt ist, die sie abgespielt finden. Das Haus war in dieser Serie trotzdem durchweg voller als zu anderen Gelegenheiten. Man traf Leute, die man zuletzt vor Corona gesehen hatte, ebenso wie Kollegen, die einfach Lust auf einen schönen Opernabend hatten. Die Besetzung trug außerdem zu einem gut gefüllten Haus bei.

Da war Dovlet NURGELDIYEV, bei dessen Lenski neben seiner wieder ausgesprochen schönen stimmlichen Interpretation auch seine exzellente Sprachbehandlung zum Tragen kam. Puschkins Dichter und sein tragisches Schicksal wurden hier so lebendig und glaubwürdig auf die Bühne gebracht, daß wohl nur wenige Zuhörer davon unberührt blieben.

Auch für den Fürsten Gremin hatte man mit Alexander TSYMBALYUK einen Hamburger Publikumsliebling engagiert. Begeistern mit Kurzauftritt ist in dieser Rolle sicherlich Ehrensache, so perfekt dargeboten, ist es allerdings eine Visitenkarte für mehr als nur das. Es steht zu hoffen, daß das auch dem Hamburger Besetzungsbüro nun wieder einmal auffällt.

Als Tatjana hatte man Ruzan MANTASHYAN engagiert, die sich nahtlos in die Reihe exzellenter Interpretinnen dieser Partie einreihte. Fast, aber nur fast hatte man Mitleid mit Onegin, als die Sängerin in der Ball- wie in der Schlußszene die Figur mit einer Fassade scheinbar naturgegebenen Unnahbarkeit versah, um das „Problem Onegin“ und die im Inneren brodelnden Gefühle einer Fürstin würdig in den Griff zu bekommen. Bereits zu Beginn war diese Tatjana weniger duldend, was auch gut zur über den Abend über die stimmliche Interpretation gezeigten Entwicklung paßte.

Alexey BOGDANCHIKOV schien ein wenig in alte Muster zu fallen. Man sah und hörte so immer noch einen wirklich guten, in der Schlußszene sogar sehr guten Onegin, aber mehr von der Energie, mehr vom Loslassen, weniger offensichtliche Kontrolliertheit, was ihm in der letzten Serie so gut zu Gesicht gestanden hatte, hätte man sich auch diesmal gewünscht.

Bei Marta ŚWIDERSKA als Olga vermißte man ein tiefergehendes Rollenporträt. Katja PIEWECK ist eine Larina aus dem Bilderbuch, aber sie braucht endlich wieder größere Aufgaben, in denen sie ihr Talent präsentieren kann. Janina BAECHLE (Filipjewna) klang ungewöhnlich angegriffen. Hoffentlich nur eine vorübergehende Schwäche.

Han KIM ging in der kurzen Rolle des Saretzki ebenso auf wie Hubert KOWALCZYK, der nicht nur ein überaus präsenter Trifon Petrowitsch war, sondern auch den Kotillion mit sichtlichem Vergnügen meisterte. Als Triquet bescherte uns der Abend Peter GALLIARD.

Lidiya YANKOVSKAYA hatte ihre liebe Not mit dem Hamburger ORCHESTER, dessen Sache Repertoire aktuell wahrlich nicht zu sein scheint. Auch in Sachen CHOR (Leitung: Christian Günther) zeigten sich in dieser dritten Vorstellung einige Schwächen. Wenn die Kommunikation mit dem Graben dann doch klappte, hörte man eine durchaus gute Chorleistung. Die Umsetzung der Choreografie in der Ballszene funktionierte nicht perfekt, aber immerhin besser als in so mancher vorhergehender Serie. AHS