„Nabucco“ – 21. November 2021

Es war ein Segen, daß diese „Nabucco“-Serie konzertant aufgeführt wurde, blieb dem interessierten Zuhörer so doch die aktuelle Hamburger Produktion erspart. Auf eine actiongeladene Aufführung mußte man an diesem Sonntagnachmittag indes nicht verzichten, und die Crux des Vorstellungsbeginns um 15:00 Uhr, der aktuell auch nicht mehr Zuschauer ins Haus bringt als bei normaler Anfangszeit, ließ das Ensemble auch rasch hinter sich.

George GAGNIDZE war als Nabucco eingesprungen, der Aufführung schadete das nicht. Im Gegenteil. Ausgestattet mit Notenpult anstelle eines Streitwagens eroberte der Bariton im Handumdrehen Jerusalem, Bühne und Publikum. Hier hörte man jemanden, der die Partie nicht nur mit Verve und viel Italianità durchmaß, sondern der die Figur und vor allem deren Entwicklung mit Leben füllte.

Alexander VINOGRADOV bot mit seinem Zaccaria den perfekten Gegenpart und präsentierte auch das ausgefeilte Rollenporträt und die vielen Facetten der Figur, die man in der Premierenserie so vermißt hatte. Auch stimmlich zeigte der Sänger sich in allerbester Verfassung. Die samtige Schwärze seines Basses bot viele Nuancen und braucht auch tiefste Tiefen nicht zu scheuen.

Den Vergleich mit seinen Kollegen muß Martin SUMMER wahrlich nicht scheuen. Sein Oberpriester des Baal überzeugte durch eine schöne und präzise geführte Stimme voll dunkelwarmer Farben sowie durch ganz natürliche Präsenz. Was für eine schöne Entwicklung!

Auch Aigul AKHMETSHINA (Fenena) ist eine echte Entdeckung. Ihr gelang es das ätherisch angelegte Wesen der Figur sowohl stimmlich als auch im Spiel glaubwürdig einzufangen, ohne daß Fenenas kämpferische Momente dabei aus der Strecke blieben. Die klare Schönheit ihrer Stimme beeindruckte ebenso wie die scheinbar so mühelose Präzision, mit der diese geführt wurde.

Oksana DYKAs Abigaille zu lauschen, ihr bei den Versuchen, die Figur mit raumgreifenden Gesten zu gestalten, war dagegen ausgesprochen anstrengend. Schrille Höhen, streckenweise recht unsichere Stimmführung waren eine Herausforderung für die Ohren. Gefeiert wurde sie indes von Teilen des Publikums trotzdem.

Als Ismaele machte Piotr BUSZEWSKI nichts falsch. Seine Stimme ist dem Fach angemessen und klang sehr ordentlich, aber irgendwie mochte der Funke nicht überspringen. Seungwoo Simon YANG blieb da wesentlich nachdrücklicher in Erinnerung. Mit seiner blitzsauberen, bereits ausgesprochen sicher geführten Stimme präsentierte der junge Tenor Abdallo mit gesundem Selbstbewußtsein. Auch Tahnee NIBORO (Anna) gelang bei ihren kurzen Auftritten eine im besten Sinne erinnerungswürdige Darbietung.

Der CHOR (Leitung: Eberhard FRIEDRICH), etwas merkwürdig im Hintergrund der aufsteigenden Bühne platziert, präsentierte sich in der seit Spielzeitbeginn andauernden exzellenten Form.

Über Paolo ARRIVABENIs Leitung des Abends und seine differierende Tempiwahl konnte man trefflich streiten, aber seine konsequente Ausrichtung hin zu frühem Verdi mit Anklängen an Donizetti und Bellini gefiel. Es nahm der Oper den fatalen Hang zu übermäßigem Pathos und gab auch dem Gefangenenchor eine begrüßenswerte Dynamik. Das PHILHARMONISCHES STAATSORCHESTER hatte einen ausgesprochen guten Tag und begeisterte mit einer hervorragenden Leistung über alle Gruppen hinweg.

Sicher sind nicht alle konzertanten Aufführungen so spannend und lebhaft wie dieser Nachmittag, aber wie schön wäre es, wenn bei „Nabucco“ in Hamburg vorerst dabei bliebe. AHS