„Verdi und die Dame mit Noten“ – 20. September 2015

Nachdem das Allee-Theater mit der szenischen Erstaufführung von „Der scharlachrote Buchstabe“ in der vorletzten Saison einen großen künstlerischen Erfolg feiern konnte, wagte man sich dieses Mal an die Uraufführung eines speziell für dieses Haus geschriebenen Werkes.

Der Komponist und Librettist Mathias Husmann möchte die Geschichte von Verdi und seiner späteren Ehefrau Giuseppina Strepponi, der ersten Abigaille in „Nabucco“ erzählen. Er beschränkt sich dabei auf den Zeitraum zwischen Strepponis erstem Vorsingen zu Beginn ihrer Karriere und endet damit, wie sie nach dem frühen Ende ihrer Karriere nach Paris geht. Schon allein durch diese Beschränkung wird natürlich viel Potential verschenkt, da die Zeit, in welcher sie mit Verdi unverheiratet in dem kleinen Busseto zusammenlebte, ausgespart wird.

Wäre es nur das gewesen, hätte man darüber hinwegsehen können. Das Frauenbild, was Husmann uns mit Strepponi hier zeichnet, ist antiquiert, sie ist ein Opfer, offenbar vollkommen abhängig von allen möglichen Männern, und wenn sie eine eigene Entscheidung trifft, dann um einem Mann zu helfen. Schon in der Pause wünschte man, daß Husmann wenigstens ein Fünftel des Verständnisses für Frauen aufgewandt hätte, welches Verdi schon hundertfünfzig Jahre zuvor besaß.

Die Musik kann nur teilweise darüber hinwegtrösten, nämlich dann, wenn die beiden Protagonisten Bellini oder eben Verdi singen dürfen. Die von Husmann komponierte Musik fällt nicht weiter auf, ist wenig inspiriert, stört aber auch nicht groß. Sie hat ein, zwei gute Momente, wenn sie kommentierend Verdi zitiert, aber das reicht nicht für den ganzen Abend. Ärgerlich wird es, wenn die drei männlichen Sänger in einer Art Sprechgesang Strepponis stimmliche Leistungen kommentierend, während man eigentlich viel lieber ungestört dem Sopran bei der Abigaille-Arie zuhören würde.

Für Giuseppina Strepponi hat das Allee-Theater mit Luminita ANDREI eine erstklassige Besetzung aufgetan. Die junge Sängerin hat ausreichend Persönlichkeit, um aus dem Abziehbild, was das Stück aus der Figur macht, einen lebendigen Charakter zu formen. Sie singt dabei großartig, die „Sonnambula“-Arie läßt einem dem Atem stocken. Auf gleich hohem Niveau war die Abigaille-Arie, in welcher die Figur lebte, und die Sängerin gleichzeitig das Kunststück schaffte, die schwindenden Kräfte Strepponis deutlich zu machen, ohne daß die auf Kosten der stimmlichen Qualität ging.“

Ihr zur Seite als Verdi Marius ADAM, bei dem die Maske tatsächlich eine große Ähnlichkeit zum großen Komponisten geschaffen hat. Er ist der einzig „anständige“ Mann im Stück, stellt dies auch wunderbar dar. Und wenn er mit Luminita Andrei die Leonora/Oberto- und Abigaille/Nabucco-Duette singen kann, kommt der Abend für Momente sogar an den Punkt, daß man unbedingt mehr hören will.

Als Scala-Chef Merelli bemüht sich Titus WITT redlich, etwas aus der nicht sehr dankbaren Rolle zu machen, in welcher er unvermittelt ständig zwischen fieser Ausbeuter von Frauen und gutem Freund wechseln muß, und singt ordentlich. Von Martin LINDAU als Cirelli, quasi Strepponis Entdecker, kann man das nicht sagen. Die Stimme klingt wenig qualitätsvoll, was zu dem Charakter, den er zu spielen hat und der ziemlich abscheulich ist, immerhin paßt.

Das ALLEE THEATER ENSEMBLE unter Florian CSZIMADIA spielt sehr animiert, ist aber passenderweise am besten, wenn es Original-Verdi spielen darf. Dann wirkt auch der Dirigent ganz in seinem Element mit viel Brio.

Die Inszenierung von Andreas FRANZ spielt brav die verschiedenen Erzählstationen ab, das Bühnenbild mit dem auf der Bühne plazierten Orchester von Kathrin KEGLER erfüllt seinen Zweck. Die Kostüme von Katja GREBE gehen darüber weit hinaus. Sie sind, was die Kleider für die Protagonistin betrifft, schlichtweg prachtvoll, und passen gut in die Zeit und zum jeweiligen Charakter.
MK