„Katja Kabanova“ – 20. Juni 2014

Die Inszenierung von Willy DECKER stammt schon aus dem Jahre 2002, wurde seitdem jedoch erst zum fünfzehnten Male gespielt. Grund könnte die wenig überzeugende Auslastung sein, es waren zahlreiche Plätze leer.

So ganz nachzuvollziehen ist es nicht, denn Decker erzählt die Geschichte stringent, ohne große Mätzchen und nachvollziehbarer Personenregie. Das Bühnenbild (Wolfgang GUSSMANN, Mitarbeit Stefan HEINRICHS) besteht aus Holzwänden, die sich bei jedem Versuch Katjas, sich aus der Enge zu befreien, nach oben und zur Seite öffnen, sowie zahlreichen Vogelbildern. Die Kostüme (auch Gussmann) sind vielleicht ein bißchen zu einheitlich, was es auf die Entfernung schwierig macht, die einzelnen Personen sofort zuzuordnen. Die Beleuchtung von Hans TOELSTEDE ist besonders stimmungsvoll, insbesondere die diversen Spiele mit Licht und Schatten.

In der Titelrolle war dieses Mal Dina KUZNETZOVA zu erleben. Darstellerisch spielt sie sich fast wund, immer präsent, immer in ihrer Verletzlichkeit und ihrem Freiheitsdrang beinahe greifbar. Gesanglich fehlt noch etwas zu einer ganz großen Leistung. In der oberen Mittellage gibt es einen Bereich, in dem die Stimme nicht so vollkommen aufzublühen in der Lage ist, wie bei den restlichen Tönen. Das nimmt bei den großen Ausbrüchen leider einen Teil der Wirkung. Wenn sich dies noch abstellen ließe, stünde einer Weltklasseinterpretation nichts mehr entgegen.

Torsten KERL als Boris konnte weit weniger überzeugen. Zum einen fiel er schon deswegen negativ auf, weil er als einziger nicht einmal den Versuch machte, seine Rolle zu interpretieren, zum anderen wirkte er auch gesanglich irgendwie desinteressiert. Man konnte ihm keine Sekunde lang abnehmen, daß er leidenschaftlich verliebt ist. Der eine oder andere angestrengte Ton half da auch nicht wirklich. Besser war es um den eingesprungenen Hans-Georg PRIESE als Tichon bestellt. Zwar gab es auch hier den einen oder anderen forcierten Ton, aber als Figur war er grandios in seiner Unfähigkeit, sich seiner Mutter zu widersetzen, und diese merkwürdige Frau, die er geheiratet hatte, tatsächlich zu verstehen.

Renate SPINGLER ist rollengerecht als Kabanicha eine Schwiegermutter direkt aus der Hölle. Voller Strenge, voller Bösartigkeit, aber ohne dabei zu keifen, sondern mit vollkommen intakter Stimme durchmißt sie die Partie. Eine tolle Leistung! Tigran MARTIROSSIAN als Dikoj spielt einen herrischen Dorfältesten, der sich im zweiten Akt als betrunkener Liebhaber der Kabanicha Momente voll bitterer Komik leistet Daß er prachtvoll singt, ist bei ihm ja fast schon eine Selbstverständlichkeit.

Heimliche Stars des Abends waren Dovlet NURGELDIYEV und Maria MARKINA als Wanja Kudrjasch und Vavara. Man konnte sich kaum satt hören an diesen beiden Stimmen, die perfekt geführt und voller Emphase ihre Geschichte erzählten. Daß beide Sänger auch absolut glaubhaft zwei junge, idealistische, frisch verliebte Menschen darstellten, rundete diese Figuren ab.

Der eingesprungene Thomas FLORIO als Kuligin war überaus präsent, die Glascha von Ida ALDRIAN ließ erneut aufhorchen.

Im Graben schwelgte Lothar ZAGROSEK durch die Partitur, wobei das Ganze fast ein wenig zu pucciniesk glatt klang, aber eben nur fast. Die PHILHARMONIKER HAMBURG waren tadellos, gleiches gilt für die CHOR, der für die nicht allzugroßen Aufgaben wieder gut von Eberhard FRIEDRICH einstudiert war.
MK