„Il Trovatore“ – 20. März 2024

Jedes Mal, wenn irgendwo eine Neuproduktion von „Il Trovatore“ ansteht, äußert sich der jeweilige Regisseur irgendwo, wie schwer dieses Stück eigentlich zu inszenieren ist. Nach meinem Gefühl hat allerdings auch seit Jahrzehnten fast niemand versucht, tatsächlich die oder wenigstens irgendeine stringente Geschichte zu erzählen. Welche Geschichte Immo KARAMAN erzählen will, bleibt ebenso unklar.

Geht es um die Unterdrückung von Frauen? Gäbe das Stück durchaus her, allerdings ist dann wenig nachvollziehbar, warum eigentlich ständig Damen der Gesellschaft sich im ersten Bild und Anfang des dritten Aktes auf der Bühne befinden, und zwar selbstverständlich und selbstbewußt. Geht es um schlechte Behandlung von sozial weniger privilegierten Frauen, da Azucena am Anfang im Kostüm eines Dienstmädchens stumm auf der Bühne agiert? Das hat aber keine wirklichen Folgen in der weiteren Inszenierung. Warum sind im vierten Akt neben Leonora auch alle Frauen außer Azucena schwanger? Wie und wann ist das passiert? Was soll es symbolisieren? Würde ein Macho wie Luna wirklich eine von einem anderen Mann hochschwangere Frau für sich haben wollen? Warum befinden sich in dem Koffer, den Leonora auf ihrem Weg ins Kloster mit sich führt, offenbar die Babysachen von Azucenas Kind? Damit sie – zugegebenermaßen effektvoll – in Flammen aufgehen können? Welchen Kommentar wozu soll der Auftritt der stummen Banda im Klosterbild geben?

In der Premiere sind dem Vernehmen nach heftige Zwischenrufe und Buhs zu hören gewesen. Das allerdings ist eigentlich zuviel Aufmerksamkeit für eine Inszenierung, die in die Kategorie „skandalös langweilig und dazwischen unfreiwillig komisch“ gehört.

Alex EALES hat ein Einheitsbühnenbild erschaffen, was ein herrschaftliches Haus in zunehmendem Verfall zeigt, vermutlich Lunas Schloß. Das bedeutet dann aber auch, daß Luna dann sein eigenes Schloß belagert, in welchem Manrico sitzt, was keinen Sinn ergibt. Die Kostüme von Herbert BARZ-MURAUER sind wenig aufregend, allerdings immerhin passend. Die Lichtregie von JAMES FARNCOMBE fällt positiv auf.

Wenn die erinnerungswürdigsten Sängerleistungen von Ferrando, Ruiz, Inez und dem alten Mann kommen, dann läuft musikalisch etwas gründlich schief. Alexander ROSLAVETS macht stimmlich alles aus dem Ferrando, darstellerisch wurde er von der Regie zu sehr gehemmt, da er sich ständig über Luna lustig machen mußte, um sich entfalten zu können. So bleibt eine profunde Baßleistung. Ruiz Aaron GODFREY-MAYES im Guerilla-Look war stimmlich und darstellerisch sehr präsent; unter seiner Führung hätten Urgels Mannen bestimmt mehr Erfolg gehabt. Unfreiwillig komisch war allerdings, daß er auch den Boten singen mußte, also Manrico seinen eigenen Brief überbrachte, bei dem er dann nochmal nachguckte, ob Manrico wirklich alles richtig vorgelesen hatte.

Olivia BOEN konnte mich bisher in den meisten ihrer Rollen nicht völlig überzeugen, als Inez war sie großartig, sang Leonora ohne Mühe an die Wand, und weckte Neugier, was wohl später aus Inez werden würde. Schließlich gab Madoda SAWULI im zweiten Akt das Zeichen zum Aufbruch, und man wäre ihm lieber gefolgt, um ihm weiter zuzuhören, als sich das anschließende Duett anzuhören.

Gwyn HUGHES JONES‘ Stimme wird sehr eng, Schmelz geht ihm völlig ab, die Höhe war kaum vorhanden. Die Stretta muß nicht zwingend mit einem C (oder wohin der Ton auch in der Regel transponiert wird) aufwarten, aber eine vernünftige Gestaltung des Stückes oder von „Ah, si ben mio“ wäre hilfreich gewesen. Hier blieb leider alles auf der Strecke, als Figur war er auch nicht vorhanden.

Elena MAXIMOVA wurde als Azucena laut bejubelt. Warum ist nicht klar, denn eigentlich sang sie die Rolle mit drei verschiedenen Stimmen, die auch nicht gut aneinander angebunden waren. Die extreme Tiefe klang ordentlich, die Mittellage dünn und in der Höhe war ein unangenehmes Scheppern zu hören. Die Regie hatte sie zum Dreh- und Angelpunkt der Geschichte gemacht, aber es gelang ihr nicht, jemals zu packen.

Guanquin YU als Leonora war viel zu kleinstimmig für diese Partie und dieses Haus. Da fehlte es an Durchschlagskraft, aber auch an Geläufigkeit für die schnellen Passagen, die offenbar deswegen sehr langsam erklangen. Dekorativ auf dem Boden herumzuliegen, ist doch zu wenig für diese Rolle.

Der Luna von Aleksei ISAEV war immerhin seiner Rolle stimmlich gewachsen, auch wenn sein Timbre und die Stimmführung vielleicht etwas zu robust sind. Daß er allerdings als Figur einen verweichlichten Brutalo darstellen mußte, der sich auch mal eben schnell ein Dienstmädchen vergewaltigt, tat der Wirkung doch erheblichen Abbruch, auch weil der Regisseur es nicht verstand, seine Interpretation in Einklang mit Lunas Besessenheit von Leonora zu bringen.

Musikalisch wurde der Abend durch die Leitung von Giampaolo BISANTI tatsächlich gerettet. Was er an Nuancen aus dem fehlerlosen PHILHARMONISCHEN STAATORCHESTER herausholte, war großartig. Es fällt immer wieder auf, wie gut das Orchester eigentlich ist, wenn die richtige Person davorsteht. Hätte es hier mehr Unterstützung von der Bühne gegeben, wäre der Abend trotz der szenischen Problematik ein großer werden können, denn auch der CHOR (Leitung Christian GÜNTHER) war außergewöhnlich gut, trotz der teilweise von der Regie auferlegten Albernheiten.

Es ist schon richtig, daß die Übertitel das „Z-Wort“ versuchen zu vermeiden. Ist es aber wirklich eine Lösung, einfach das im italienischen Text genutzte Wort in die Übertitel zu schreiben? Ist „Zingerella“ oder „Gitano“ tatsächlich weniger problematisch? MK