Vergeßt dieses Dings an der Elbe! Wer etwas über die Musikstadt Hamburg wissen wollte, war in dieser Woche in der Staatsoper bestens aufgehoben.
Hier erlebte man eine Mozart-Produktion, über deren szenische Schwächen man z.T. schwerlich hinwegsehen konnte, deren ganz großes Plus aber das junge, grandios disponierte Ensemble war, das mit seiner Spielfreude dem Stück alle Ehre machte.
Iulia Maria DAN, die wie man hört kürzlich bereits mit ihrer Mimi das Publikum hinriß, gibt ihrer Contessa das, was manchmal schon verloren scheint. Man hört und sieht eine junge Frau, eben Rosina, die in ihrer Ehe nicht das findet, was sie erhofft hatte, aber immer noch hofft, daß jene Gefühle nicht gänzlich verloren sind. Eine perfekte Kombination aus blitzsauberem Gesang voller Gefühl und durchdachter Rollengestaltung.
Inzwischen ein echter Star ist Katerina TRETYAKOVA. Das Hamburger Publikum feiert sie in jeder ihrer Rollen – und das jedes Mal zurecht. Hier sprang sie als Susanna ein. Ihre Stimme paßt immer noch perfekt. Sie girrt und flirtet mit jener Leichtigkeit, die Mozart der Figur auf den Leib geschrieben hat, wirbelt über die Bühne und singt dabei mit absoluter Perfektion.
Dorottya LÁNG ist aus Hamburg nicht mehr wegzudenken. Ihr Cherubino gewann das Herz jeder anwesenden Frau – sowohl auf der Bühne, als auch im Publikum. Aktuell ist die Stimme immer noch prädestiniert für jene Hosenrollen. Man hört aber schon, auf wieviel mehr sich das Publikum in Zukunft freuen darf.
Bei soviel Frauenpower hatte es die Herrenriege nicht wirklich leicht. Man(n) schlug sich aber wacker. Alin ANCAwußte als Figaro zu begeistern. Der junge Baß wächst an seinen Aufgaben und hat sich inzwischen zu einem wichtigen Pfeiler des Hamburger Ensembles entwickelt. Bei Mozart ist er wie hier hörbar ebenso zuhause wie z.B. bei Verdi.
Die Produktion macht es Alexey BOGDANCHIKOV als Conte d’Almaviva nicht gerade leicht, doch er bewahrt das letzte Stückchen gräflicher Würde selbst in Unterwäsche. Auch stimmlich bietet der Bariton genug Autorität, ohne daß die für Mozart so essentielle Flexibilität der Stimme verlorengeht.
Zwei Erzintriganten und doch grandios komisch – mit Katja PIEWECK als Marcellina und Tigran MARTIROSSIAN als Don Bartolo schenkte die Staatsoper den Zuhörern ein neues Traumpaar in Sachen „kleine Rollen, superb besetzt“. Gleiches gilt für Narea SON, deren Barbarina sich als echte Szenendiebin entpuppt. Conte? Figaro? Pah! Die Zukunft gehört der Jugend, und die füllt die Bühne zur Not auch ganz alleine.
Jürgen SACHER gab einen unterhaltsamen Don Basilio. Franz MAYER ergänzte als recht präsenter Antonio, während der Don Curzio von Peter GALLIARD eigentlich nur anstrengend war.
Der CHOR meisterte die teilweise trickreichen Auf- und Abgänge ohne größere Unfälle ebenso wie seine musikalischen Aufgaben.
Das ORCHESTER unter der Leitung Michele GAMBA war mehr schmückendes Beiwerk zum Treiben auf der Bühne. Es kam wenig wirklich Inspirierendes, aber auch nichts Störendes aus dem Graben. Solides Handwerk.
Schade ist, daß die Inszenierung von Stefan HERHEIM eine recht abschreckende Wirkung zu haben scheint. Es blieben viel zu viele Plätze im Zuschauerraum leer. Nun ist es in der Tat so, daß einem das Herz blutet, vergleicht man diese Produktion mit ihrer Vorgängerin. Ein Grund fernzubleiben, ist sie mittlerweile zumindest bei dieser Besetzung eigentlich nicht mehr. Da gibt es auf deutschen Opernbühnen wahrlich Schlimmeres.Gerade in der Lichtgestaltung von PHOENIX (Andreas Hofer) unterstützt von den Videos von FETTFILM gibt es tolle Effekte, die die Musik in diesen Momenten unterstützen und für interessante Bilder sorgen. Leider wiegen sie nicht das Manko auf, daß Herheims Arbeit zu wenig über das Stück erzählt, die Figuren, ihre Handlungen und ihre Beziehungen zueinander teilweise zu stark verbiegt.
Das Bühnenbild von Christof HETZER ist insbesondere vor der Pause akustisch sehr ungünstig aufgebaut. Im zweiten Teil nervt das Geraschel der von den Wänden gefallenen Notenblätter, die den Sänger teilweise an den Füßen kleben bleiben. Gesine VÖLLMs Kostüme passen zum Gesamtkontext. AHS