“Jewgeni Onegin” – 10. Oktober 2021

Diese Produktion gehört zu den wenigen im Hamburger Repertoire, an denen mein Herz noch hängt. Ja, die Umbaupausen dauern eine gefühlte Ewigkeit, aber das Ambiente paßt zum Stück, es gibt immer wieder schöne Bilder, und mit einer Besetzung, die die Bühne mit Leben zu füllen vermag, wird ein einfach schöner Opernabend daraus.

Zum Opernerlebnis par excellence machten die Sänger Tatjanas und Onegins den Abend. Olesya GOLOVNEVA gelang es, dem Erwachsenwerden ihrer Figur, dem Wachsen des schüchternen jungen Mädchens zur stolzen Fürstin von Szene zu Szene eine glaubhafte Entwicklung zu geben und nicht allein, aber ganz besonders in der Briefszene und mit ihrem fulminanten Auftritt im letzten Bild gesanglich wie darstellerisch nachhaltig zu beeindrucken. Wieviel Leidenschaft, wieviel gesangliche Strahlkraft fand sich in dieser anfangs so zurückhaltend wirkenden Person!

Alexey BOGDANCHIKOVs Onegin ist erwachsen geworden. Es war nicht nur so, daß der Bariton in der Rolle in Gänze brillierte und dabei gesanglich beeindruckende Akzente setzte, es war vielmehr, daß die Partie von Anfang wie ein Handschuh, wie eine zweite Haut saß. Dies zeigte sich in den kleinen Gesten, die die der Figur so eigene Arroganz widerspiegelten, in der vokalen Gestaltung, wenn Onegin dämmert, daß er vielleicht doch in Tatjana verliebt ist, und als er versucht, den Streit mit Lenski zurückzudrehen. Es fand sich im emotionalen Ausbruch, wenn die Liebe zu Tatjana über ihn hereinbricht, und im verzweifelten Versuch am Schluß, die so Geliebte doch für sich zu gewinnen, der die leidenschaftlichen Offenbarungen aus Tatjanas Brief 1:1 spiegelte.

Vom zweiten Paar gelang es Kristina STANEK am besten, hier mitzuhalten. Olgas Sorglosigkeit, ihr Lebens- und Erlebenshunger fanden sich in jedem der perfekt klingenden Töne, in jeder Geste. Sie war mit ihrer nie aufgesetzt wirkenden Präsenz der Mittelpunkt, hinter dem Tatjana sich verstecken konnte. Pavol BRESLIK machte als Lenski nichts wirklich falsch und sang durchaus schön, aber es fehlte irgendwie am Überschwang, an der dem Dichter so eigenen Übertreibung, die doch schlußendlich ins Verderben führt.

Auf die Bühne kommen, seine Arie singen und dafür den meisten Applaus abräumen, Alexander TSYMBALYUK macht es sich als Fürst Gremin nie so einfach, und wie perfekt er auch diesmal während seines kurzen Auftritts ablieferte, war Operngenuß pur.

Katja PIEWECK zeigte ihrer Larina einmal mehr, wieviel Größe in scheinbar kleinen Partien stecken kann. Janina BAECHLE gab Filipjewna Herzenswärme als zentralen Charakterzug der Figur. Als Trifon Petrowitsch sang Hubert KOWALCZYK mit makelloser Stimme den flotten Feger der ländlichen Gemeinschaft. Eingesprungen als Triquet war an diesem Abend Jürgen SACHER, und es war schlicht ein Fest für die Ohren, ihm bei seinem Auftritt zuzuhören. Han KIM besitzt eine neben einer schönen Stimme viel Präsenz und vertrat als Saretzki das Opernstudio würdig.

Der CHOR (Leitung: Christian GÜNTHER) zeigte sich singend und tanzend in Bestform. Ganz als hätte es die monatelange Pause nicht gegeben.

Leider konnten das Dirigat von Axel KOBER und streckenweise auch das ORCHESTER mit der so positiven Bühnenleistung nicht mithalten.

Manchmal ist Oper einfach schön um der Schönheit willen, und hier paßten Stück, Ambiente und Besetzung einfach. AHS