„Die Fledermaus“ – 5. Januar 2016

In der Zeit um den Jahreswechsel gibt man landauf landab Johann Strauß‘ Verwirrspiel um Liebe, Eifersucht, Gefängnis und einen (eher unkomischen) Streich unter Freunden. Wenn gut dirigiert, überzeugt die Musik mit ihrer Spritzigkeit, und in den Silvesternachwehen machen sich viele vermutlich ohnehin keine Gedanken um die Handlung.

Die Hamburger Produktion überzieht das Ganze ohnehin noch einmal derart, daß man sich darauf nur einlassen mag, wenn die Besetzung paßt. Trotz einiger Änderungen zur zuletzt besuchten Serie paßte es diesmal in fast allem.

Iulia Maria DAN war eine großartige Rosalinde. Sie fand die richtige Balance zwischen damenhaften (Un-) Tugenden und Albernheit. Ihre Stimme mit einem Timbre voller warmer Farben klingt in allen Lagen ungemein gefällig. Allein der Csárdás offenbarte eine gewisse Schwäche. Sicherlich recht gut gesungen, fehlte es hier noch ein wenig an Authentizität in der Darstellung. Doch das ist nur ein kleiner Makel. Man darf gespannt auf ihre weiteren Auftritte in Hamburg sein.

Orlofskys Charakter, die Wandlungen und Launen wirkten bei Nadezhda KARYAZINA so natürlich, daß sich die Frage nach Prinz oder doch Prinzessin nicht zu unrecht stellte. Die Fußstapfen, die die junge Sängerin in dieser Produktion auszufüllen hat, waren recht groß, doch sie bewältigte die Partie mit Temperament und Verve.

Wenn jemand es schafft, Adeles Eskapaden nicht komplett durch exaltiertes Getue zu übertreiben, ist es wohl Katerina TRETYAKOVA. Ihrer Stimme wohnt immer noch die von Anfang an so bezaubernde Leichtigkeit inne. Die blitzsauberen Koloraturen begeisterten ebenso wie die übersprudelnde Freude am Bühnenauftritt.

Wilhelm SCHWINGHAMMER spielte als Gefängnisdirektor Frank seinen gesamten Charme aus, kokettierte mit der Hilflosigkeit der Figur in der „besseren“ Gesellschaft und wirkte dabei sehr authentisch. Weder im Spiel, noch im Gesang wurde hier gekünstelt, und wenn es gesanglich tatsächlich einmal polterte, paßte es einwandfrei in die entsprechende Situation.

Und wer hätte gedacht, daß in Hamburgs Lieblingstenor auch ein exzellenter Operettenkünstler steckt. Dovlet NURGELDIYEV sang seinen Part nicht nur gewohnt makellos und glanzvoll. Sein Alfred war charmant, witzig und spielte gekonnt mit den Klischees des Stücks. Dabei wirkte alles natürlich, nichts bemüht oder überzogen. Die Kirsche auf der Torte war die hervorragende Sprachbehandlung, bei der jede Pointe saß.

Weshalb Viktor RUD gerade in Produktionen wie dieser oder z.B. der „Cenerentola“ zu guter Form aufläuft, bleibt wohl sein Geheimnis. Dr. Falke gehört in jedem Fall zu den Partien, in denen er unterhaltsam ist und dieses Temperament auch stimmlich gut transportiert.

Im Gegensatz zu seinen Kollegen überzog Nikolai SCHUKOFF als Eisenstein maßlos. Sein Bemühen wienerischer zu sein als die Wiener strengte ungemein an. Die meisten Witze wirkten so flacher, als sie ohnehin schon waren. Auch stimmlich konnte der Sänger mit enger Höhe und recht eindimensional klingendem Timbre hier nicht überzeugen.

Marta SWIDERSKA wirkte in Idas ausgesprochen häßlichen Kostüm und ohne echte Regieidee zur Figur recht verloren. Doch in ihr steckt sicher mehr als sie hier zeigen konnte. Peter GALLIARD stotterte sich als Dr. Blind uninspiriert durch seine Szenen.

Das Plus dieser Produktion überhaupt ist Gustav Peter WÖHLER als Gefängniswärter Frosch. Er bot ein Lehrstück darüber, wie man Komik und durchaus auch Klamauk auf die Bühne bringen kann, ohne daß es auch nur für eine Sekunde ins Peinliche abgeleitet. Mit spitzer Zunge brachte er so auch diesmal Altbewährtes wie neue Pointen. Wer nicht aufmerksam war, verpaßte manches.

Der CHOR fügte sich gut in die von der Regie aufgegebenen Rollen und war doch am besten, wenn er seiner eigentlichen Aufgabe nachkam. Das Haus stimmlich zu füllen, ist für die Damen und Herren sicherlich nie ein Problem, doch hier machte das Zuhören besonders viel Spaß.

Die musikalische Leitung oblag Erich WÄCHTER, der diese Aufgabe mit unglaublicher Begeisterung und der ihm eignen Präzision meisterte, ohne daß die so unbedingt notwendige Leichtigkeit verlorenging. In mancher Szene war es unterhaltsamer, dem Mann am Pult zuzuschauen als dem Treiben auf der Bühne zu folgen. Das PHILHARMONISCHE STAATSORCHESTER kann Operette und zwar exzellent. Der Zuhörer hatte hier keine Sekunde den Eindruck, daß hier lästiges Pflichtprogramm abgespult wurde. Walzerseligkeit an der Elbe? Das gelang und klang perfekt.

Bei so viel musikalischem Charme war es kein Wunder, daß man die restliche Woche die Strauß-Ohrwürmer nicht mehr loswurde. Mehr Operette als „Die Fledermaus“ wird man an der Staatsoper wohl nicht bekommen. Irgendwie schade.
AHS