Peter KONWITSCHNYs Produktion aus dem Jahr 1998 ist bei weitem nicht jedermanns Sache. Auch ich mußte mich erstmal an sie gewöhnen – als erster Live-Kontakt mit Regietheater ist sie vielleicht auch nur bedingt zu empfehlen.
Dieser Lohengrin spielt in einem Klassenzimmer im 19. Jahrhundert. Alle bis auf Lohengrin tragen Schuluniformen mit kurzen Hosen, bzw. knielangen Röcken (Bühnenbild und Kostüme: Helmut BRADE). Der Titelheld wird natürlich nicht von einem Schwan chauffiert, sondern „steigt“ dem Bühnenboden empor. Das Konzept geht gut auf. Nur selten wird es ein wenig zu albern. Das Spannendste passiert häufig gerade bei den Massenszenen, wenn es nicht im Fokus der Handlung geschieht. Im ersten Akt ist z.B. Ortrud sehr präsent, obwohl sie ja kaum was zu singen hat. Sehr schön ist auch das Finale des zweiten Aktes, in welchem selbige ordentlich in die Orgeltasten haut. Mein persönlicher Lieblingsmoment ist jedoch, wenn die Königstrompeter während der Verwandlungsmusik im 3. Akt in den Logen spielen. Der Klang ist einfach herrlich, wenn auch etwas zu laut und teils unsauber. Gespielt wird im Übrigen die Version ohne den zweiten Teil der Gralserzählung.
Stephen GOULD in der Titelrolle lieferte ein leidlich eindimensionales Portrait ab. Er verfügt über eine schöne Stimme, aber das reicht mir nicht. Es klang alles sehr gleich. Man sollte schon einen Unterschied zwischen „Das süße Lied verhallt“ und „Höchstes Vertrau’n“ machen. Es gab zwar gute Ansätze, aber danach fiel er wieder in den alten Trott zurück.
Sein männlicher Widersacher Telramund wurde von Wolfgang KOCH gesungen. Er bemüht sich zwar, aus der Rolle etwas zu machen. Jedoch habe ich ein Problem mit Sängern, die Emotionen vorwiegend durch theatralische „Deklamationen“ erzeugen und nicht genuin über die Stimme.
Von ganz anderem Kaliber ist da Katja PIEWECK, die eine herrlich subtil böse Ortrud auf die Bühne brachte und zudem durch ihre Spielfreude bestach. Daß Ortrud Telramund im 2. Akt beherrscht, obwohl sie diesen zu Beginn gefesselt an einen Tisch auf dem Boden verbringt, vermittelte sie auch stimmlich jederzeit. Man darf gespannt sein, was da noch für Rollen in Zukunft kommen.
Die für Petra Maria Schnitzer eingesprungene Emma BELL gefiel durch eine sehr selbstbewußte Interpretation. Diese Elsa braucht keinen dahergelaufenen Typen, der noch nicht mal verraten will, wie er heißt. Das Umschmeicheln zu Beginn der Brautgemachszene geschieht nicht, weil sie ihn so toll findet, sondern weil sie ihn bauchpinselt, um so zu erfahren, wer dieser Mensch da ist, mit dem sie nun verheiratet ist. Ihr stummes Spiel im letzten Akt war auch ein großes Highlight.
Georg ZEPPENFELD erwies sich als agiler und spielfreudiger König Heinrich und Jan BUCHWALD glänzte als Heerufer. Sehr erwähnenswert waren auch die vier Edlen (Ziad NEHME, Manuel GÜNTHER, Vincenzo NERI und Szymon KOBYLINSKI). Ilka ZWARG, Gui-Xian CHENG, Eleonora WEN und Katharina DIERKS aus dem Chor waren solide Edeldamen. Karl von TROTHA spielte den Gottfried.
Simone YOUNG befand sich hier wieder ganz in ihrem Element. Unter ihrer Leitung ließen die gut disponierten HAMBURGER PHILHARMONIKER die Schelde wundervoll verspielt murmeln. Der CHOR lieferte unter seinem neuen Leiter Eberhard FRIEDRICH erneut eine Glanzleistung ab.
WFS