„Jenůfa“ – 11. April 2015

Die Scottish Opera brachte diese Saison eine bis ins kleinste Detail durchdachte „Jenůfa“ auf ihre diversen Bühnen. Obwohl der musikalische Aspekt etwas hinter den Künsten der Regie zurückblieb, war das Ergebnis doch sehr sehenswert.

Die Handlung wurde in das ländliche Irland des frühen 20. Jahrhunderts versetzt, im Programmheft illustriert mit einer Serie Photographien, wobei man ohne Programm mal wieder davon nichts gemerkt hätte. Die wirklich gut gemachten Kostüme (Nicky SHAW) sind sehr allgemein gehalten. Das Bühnenbild (ebenfalls Shaw) besteht aus dem Haus der Küsterin, im ersten Akt von außen gesehen, im zweiten und dritten wird die Kulisse um 180° gedreht, so daß nun die Innenräume zu sehen sind. Diese sind mit großer Liebe zum Detail eingerichtet. Besonders beeindruckt hat mich die Wiege des Babys. Zuerst dachte ich, daß sie an einen Sarg oder eine Kiste erinnern soll – bis am Ende des zweiten Akts klar wird, daß es sich um die Schublade einer Kommode handelt…

Überhaupt handelt es sich um eine extrem durchdachte Aufführung, die Annilese MISKIMMON mit viel Liebe zum Detail inszeniert hat. Dafür ein Hut ab. Nur gehört zur Oper etwas mehr als eine gute Inszenierung. Und da haperte es leider etwas….

Über Barena (Christina PETROU), die Tante (Julia MARTIN-CARTER) und die Hirtin (Jeanie LARKIN) habe ich nicht wirklich etwas zu sagen. Jano (Louise KEMÉNY) fällt noch etwas auf aufgrund ihrer besseren Aussprache.

Die gesamte Familie des Bürgermeisters, bestehend aus Jonathan MAY (der Bürgermeister), Sarah PRING (seine Frau) und Rosalind COAD (Karolka), brillieren vor allem schauspielerisch. Selten haben Figuren mit so wenig Zeit auf der Bühne die Chance bekommen, so klare Charakterzüge zu entwickeln. Sängerisch fiel dagegen keiner der drei auf.

Die Großmutter Buryjovká, gespielt von Anne-Marie OWENS, blieb im ganzen Geschehen eher unauffällig. Eine solide Darstellung, nicht dazu geeignet im Gedächtnis zu bleiben.

Weiterhin würde ich ja gerne etwas zu Sam FURNESS in der Rolle des Števa sagen, aber leider gibt es da nicht viel, da ich ihn kaum hören konnte. Auch sein Schauspiel schwankte stark zwischen deutlich und sehr ausdrucksstark und rumstehen, als würde er nicht dazugehören.

Kathryn HARRIES Einsatz in den Monolog der Küsterin im ersten Akt war so schwach, daß man ihn glatt hätte verpassen können, und ihre Leistung blieb unbeeindruckend. Ein Vibrato wie der Atlantik nach einem Sturm, gequetschte hohe Töne, der eine oder andere landete auch schon mal direkt daneben. Im zweiten und dritten Akt war ihre Leistung deutlich besser; es haperte nicht mehr so an den Höhen, und sie wußte eine bessere Lautstärke herauszuholen. Dennoch blieb der Eindruck mittelmäßig. Umso überraschter war ich daher, als ich im Nachhinein erfuhr, daß die Dame eine gewissen Bekanntheitsgrad in dieser Rolle erreicht hat. Es erklärt zumindest ihr ausgezeichnetes Schauspiel, und ich will zu ihren Gunsten annehmen, daß sie einen schlechten Tag hatte.

Der Vormann (William Robert ALLENBY) gehörte im ersten Akt zu den auffälligsten Sängern auf der Bühne. Während einige Sänger hin und wieder mit der Lautstärke des Orchesters zu kämpfen hatten, war bei ihm davon nichts zu merken, und eine schöne Stimme hat er dazu noch. Wenn ich etwas zu meckern habe, dann sein heftiger Akzent im Tschechischen, den ich irgendwann einfach nicht mehr überhören konnte.

Auch Lee BISSET als Jenůfa schien einige Moment zu brauchen um ganz in die Rolle zu finden, danach blieb ihre Leistung jedoch durchgehend auf hohem Niveau. Musikalisch brachte sie eine sehr solide Leistung auf die Bühne, schauspielerisch tendierte sie etwas zur Reserviertheit. Man verstand, was Števa meint, als er sich beschwert, sie sei zu streng geworden.

Peter WEDD schließlich brachte einen gut gesungenen und ebenso gut gespielten Laca Klemeň auf die Bühne. Gerade in den hohen Lagen konnte er stimmlich brillieren. Leider gelingt es ihm und Jenůfa bis zum Schluß nicht, eine wirkliche Beziehung aufzubauen. Ehrlich gesagt bekommt man nicht das Gefühl, daß aus dieser Ehe irgendwas Gescheites werden könnte… Das ist auch teilweise auf die Darstellung Števas zurückzuführen, der im dritten Akt auf einmal ernsthaft auftritt und Jenůfa wirklich zu beschützen scheint – mehr als Laca dies tut.

Das ORCHESTER unter Stuart STRATFORD lieferte eigentlich die beste Leistung des Abends. Stratford ließ sich Zeit und zögerte auch nicht, der Musik etwas Eigenes mitzugeben. Sehr schön!

Insgesamt eine nette Vorstellung und genug Grund der Scottish Opera auch demnächst eine Chance zu geben.
NG