Der Regisseur Tobias KRATZER schickte entgegen dem Libretto von Eugene Scribe die historische Figur, den Seefahrer Vasco Da Gama in den Weltraum auf den Planeten Jupiter und ließ die Beratung im 1. Akt nicht am Königshaus von Lissabon stattfinden, sondern in einem Büro der NASA, und verdeutlichte diese seine Regieauffassung noch durch kunstvolle Videos (Manuel BRAUN) und ließ Astronauten Weltraumspaziergänge unternehmen (Flugartisten mit großartigem Können Susanne BESCHORNER und Simone KIELTYKA). Einzig und allein entführte uns das Bühnenbild des letzten Akts in die ursprüngliche und textgemäß korrekte Welt des Entdeckers, nämlich Indien, das Vasco Da Gama historiengemäß durch Umsegelung des Kaps der Guten Hoffnung entlang den ost- und westafrikanischen Küsten zum ersten Mal als Europäer erreichte. Es ist noch anzumerken, daß Eugène Scribe sein Libretto zu dieser Oper nicht mehr selbst vollenden konnte, da er verstarb, und es von Charlotte Birch-Pfeiffer fertig gestellt wurde. Im letzten Akt endlich hatte man ein zum Libretto passendes Bühnenbild vor Augen mit angepaßten Kostümen der Einheimischen (Bühnenbild und Kostüme Rainer SELLMAIER), denn hier gab es auch den berühmten giftigen todbringenden Manzanillen-Baum, (eigentlich wächst er in der Karibik), unter welchem sich die „Afrikanerin“ Selika – eine indische Königin – sich selbst richtete, da sie auf die Liebe zu Vasco Da Gama zugunsten von Ines verzichtetete. Sehr gut war die Regie-Idee, den entdeckungsfreudigen Vasco in Form einer Todesvision der Selika wieder einen neuen Erdteil (Planet?) durch Hissen einer Flagge für Portugal (oder NASA?) entdecken zu lassen.
Ein musikalisch hochkarätiger Abend erwartete allerdings das Publikum. Mit großen Arien und Duetten stattete der glücklicherweise wieder eine Renaissance seiner Opern erlebende Komponist Giacomo Meyerbeer dieses sein so hervorragend durchkomponiertes großes fünfaktiges Werks aus, das vor allem beste Sängerdarsteller braucht, und diese haben den Abend in Frankfurt zu einem musikaischen Höhepunkt werden lassen. Antonello MANACORDA zeigte in seinem Dirigat mit dem FRANKFURTER OPERN- UND MUSEUMSORCHESTER eine musikalische Glanzleistung in der Interpretation, er konnte vor allen Dingen gerade bei den anspruchsvollen langen Arien der Protagonisten eine sehr gute Sängerführung erbringen, da das Werk Meyerbeers sich in vielem an die Kompositionen von Gioachino Rossini und Richard Wagner anlehnt.
Auch gelang es der Oper Frankfurt, gerade für diese Oper hervorragende Sängerdarsteller zu finden. In der Titelrolle debütierte Michael SPYRES, ein Tenor, der sich hauptsächlich mit Belcanto-Partien und besonders mit den Partien Rossinis beschäftigt, und die für diese Partien nötigen Belcanto-Höhen und Piani hat, die diese Partie des Vasco Da Gama braucht. Er meisterte diese Partie mit Bravour. Als Selika (die Afrikanerin) konnte Claudia MAHNKE glänzen, die den Schluß in ihrer Todesszene nicht besser hätte gesanglich gestalten können.
Ihr Diener Nelusko wurde von Brian MULLIGAN mit kräftigen Baßtönen sehr gut auf die Bühne gebracht. Als Ines konnte Kirsten MACKINNON ihr volles sopranistisches Können zeigen, das sie schon in ihrer großen Arie im 1. Akt beweisen konnte. Auch Andreas BAUER als Don Pedro und Thomas FAULKNER als Don Diego konnten sich in ihren Partien bestens präsentieren. Magnus BALDVINSSON in beiden Rollen des Großinquisitors von Lissabon und Oberpriester des Brahma zeigte gerade hier, wie vielseitig er bei stimmlicher Bestdisposition einsetzbar ist (am Abend davor hörte man ihn noch als Graf Monterone).
Die weiteren Partien in der Reihenfolge des Programmheftes wie Don Alvar Michael MCCOWN und Anna Bianca ANDREW sowie die Matrosen Isaac LEE, Patrick HENCKENS, Thomas CHARROISs, Hyeonjoon KWON, Hyun Ouk CHO, sowie der Priester Hyung Kwon LEE waren rollengerecht besetzt. Besonders hervorzuheben die CHORleistung unter der Einstudierung von Tilman MICHAEL.
Ein musikalischer Genuß an der Oper Frankfurt mit rasendem Beifall für Sänger und Orchester nebst Dirigenten am Schluß. I.St.