„La Gioconda“ – 18. Februar 2024

Das war es jetzt also mit der fünfzig Jahre alten Inszenierung von Filippo SANJUST (Regie und Kostüme) mit den prächtigen Bühnenbildern der Entstehungszeit, die tatsächlich Venedig zeigen. Die Inszenierung wird mit dieser Serie eingemottet, die Kulissen sind zu aufwendig zu lagern – und offenbar auch zu aufwendig aufzubauen, denn die Pausen summierten sich auf die gleiche Dauer wie die einzelnen Akte.

Der Abend war so auf fünf Stunden gestreckt, was schon leicht übertrieben wirkte. Aber dann ging der Vorhang wieder auf, und man konnte sich erneut kaum sattsehen, an Bühnenbild und Kostümen, die einfach nur mit prächtig beschrieben werden können. Daß nach so vielen Jahren keine Personenregie mehr vorhanden ist, sollte sie jemals existiert haben, versteht sich von selbst.

Die gesanglichen Leistungen waren größtenteils sehr erfreulich. Carmen GIANNATTASIO in der Titelrolle wirkte sehr jung, sehr verletzlich und dabei sehr glaubwürdig im Durchleben der großen Skala von Gefühlen. Gerade im letzten Akt drehte sie noch einmal richtig auf, das „Suicido!“ muß den Vergleich mit großen Vorbildern nicht scheuen. Teresa ROMANO durchmaß die Rolle der Laura mit großformatiger Stimme und guten Spiel. Die beiden Szenen mit Gioconda waren jeweils Höhepunkte, weil sich hier beide Sängerinnen nichts schenkten.

Angelo VILLARI als Enzo verfügt vielleicht nicht über den schmelzreichsten Tenor, aber über alles andere, was diese Partie benötigt. Waren es im ersten Akt zunächst die unangefochtenen Spitzentöne, die aufhorchen ließen, differenzierte er ab „Cielo e mar“ vorbildlich, phrasierte exzellent und überzeugte vollkommen sängerisch und als Figur. Marianne CORNETTI machte alles aus La Cieca, spielte glaubwürdig die Blindheit und nutzte ihre großen Szenen so eindringlich, daß ich erstmalig verstand, warum Gioconda ihr Glück und Leben opfert.

Marko MIMICA blieb darstellerisch als Alvise eher unauffällig, hatte aber gesanglich mit dunkel timbriertem Baß alles, was diese nicht unheikle Partie benötigt. Dalibor JENIS Barnaba fiel hingegen gegenüber den anderen fünf Hauptpartien doch ab. Zum einen zeichnete er sich durch ein wenig belcantistisches Einheitsforte aus, zum anderen konnte man ihm weder das abgrundtief Böse noch die Besessenheit von Gioconda wirklich abnehmen.

Von den kleineren Rollen zog Philipp JEKAL in gleich drei Rollen (Zuàne, Sänger, Gondoliere) positive Aufmerksamkeit auf sich; da hätte man gerne mehr gehört. Byung Gil KIM (Kirchendiener, Steuermann) Andrew DICKINSON (als besonders szenisch sehr präsenter Isèpo) und Hong-KYUN OH (Gondoliere) ergänzten auf hohem Niveau.

John FIORE dirigierte einen lebendigen Ponchielli mit schönen Nuancen, das tadellos spielende ORCHESTER DER DEUTSCHEN OPER BERLIN folgte ihm darin. Der Klang von CHOR und EXTRA-CHOR (Leitung: Jeremy BINES) fiel allerdings mehrfach auseinander, insbesondere in den etwas schnelleren Passagen.

Die Choreographie stammt von Gudrun LEBEN. Aus den Solisten des OPERNBALLETTS ragte Lisa PAVLOV im „Tanz der Stunden“ heraus, bei vielen anderen fehlte die Leichtigkeit und Präzision.

Ganz manchmal sollten Theater doch darüber nachdenken, ob man derartige Produktionen nicht doch bewahren sollte. An diesem Abend gab es für zwei Bühnenbilder Szenenapplaus. In der ersten Pause meinte eine Zuschauerin in der Reihe vor mir noch, daß das alles ja schon sehr angestaubt sei, um dann in der zweiten Pause mit verklärtem Blick: „So schön!“ zu seufzen. Und selbst wenn es nur Eskapismus sein sollte, warum kann man das nicht einfach für ein paar Stunden genießen? MK