Die Deutsche Oper am Rhein hat einen große Erfolg verbuchen können mit ihrer Premiere von Donizettis „Don Pasquale“. Dies ist zwei Faktoren geschuldet:
Da ist zum einen die Produktion, die intelligent und witzig ist und niemals die Grenze des „Zuviel“ überschreitet. Rolando VILLAZÓN hat mit seiner sechsten Regiearbeit wirklich eine Glanztat vollbracht. Er verlegte die Handlung in die sechziger/frühen siebziger Jahre des vergangenen Jahrhunderts. Pasquale ist ein alternder Kunstsammler, der sich mit klassischer Kunst umgibt. Wenn Norina das Regiment im Haushalt übernimmt, kauft sie erst einmal moderne Kunst, deren Schöpfer auch leibhaftig auftreten (Warhol wird zum running gag, Gilbert & George, John Lennon und Yoko Ono sind leicht erkennbar). Ernesto macht in Streetart mit Graffiti und versiebt prompt die Chance, groß herauszukommen, als er zufällig entdeckt wird.
Eingebettet ist dieses Konzept in sehr passende Bühnenbilder (Johannes LEIACKER), die mit großer Lust und Detailliebe Klassiker der Kunst zitieren. Eine zusätzliche Handlung um einen Kunstdieb (S. PREISSLER), der mit allen Mitteln versucht, Pasquales neuester Erwerbung, eine Venusstatue habhaft zu werden und dabei gelegentlich selbst Teil eines Kunstwerks wird – der Auftritt als Nana ist schreiend komisch – erschließt sich zu Beginn nicht. Sie wird aber ohne weiteres in den Handlungsablauf integriert und führt sogar zu einem nicht im Libretto vorhandenen, aber sehr knuffigen Happy-end für Pasquale.
Die Kostüme von Thibaul VANCRAENENBROECK sind sehr passend für die Zeit und von geradezu verschwenderischer Opulenz. Für ein Viereinviertel-Personenstück ist viel los auf der Bühne, die STATISTERIE hat alle Hände voll zu tun, ohne daß die Bühne überladen wird. Der Abend strotzt nur so vor originellen Einfällen. Der Notar ist der Hippie-Hare-Krishna-Cousin von Malatesta mit Joint und Lotus-Sitz beim Protokollieren des Ehevertrags (Daniel DJAMBAZIAN mit darstellerischen Szenendiebqualitäten). Für das Trompeten-Solo bei Ernestos Arie wurde das Instrument zwecks Erledigung eines dringenden Bedürfnisses auf der Bühne abgestellt und wird mit Einsetzen der Musik mit einem Spot beleuchtet (Licht Davy CUNNINGHAM).
Pasquale ist hier kein Greis, der in seinen Wünschen lächerlich gemacht wird, sondern ein älterer Mann mit Bedürfnissen und dem einen oder anderen Zipperlein. Es erscheint keineswegs unmöglich, daß sich eine jüngere Frau für ihn interessieren könnte.
Der zweite Faktor für den einhelligen Erfolg der Produktion ist Lucio GALLO in der Titelrolle, der einfach kongenial in dieses Konzept paßt. Er ist unglaublich beweglich, tanzt teilweise über die Bühne, was gelegentlich mit einem Anfall von „Rücken“ bestraft wird, und ist so hochpräsent, daß man sich ihn kaum aus den Augen zu lassen traut in der Befürchtung, etwas zu verpassen. Stimmlich ist er, auch hier passend zum Konzept, ein Sänger im Vollbesitz seiner Kräfte. Gallo hat einen sichtlichen und hörbaren Spaß daran, durchaus auch mal wagnerianisch oder verdianisch anmutende Töne hören zu lassen, um dann quasi ansatzlos wieder ins irre schnelle parlando zu wechseln. Er scheint es zu genießen, den Erzkomödianten, als der er zu Beginn seiner Karriere bekannt wurde, wieder einmal von der Leine zu lassen.
Leider ist der Rest der Besetzung icht einmal ansatzweise auf diesem Niveau. Norina Elena SANCHO PEREG spielt zwar rollendeckend und singt lauter richtige Töne, ihre Stimme wirkt jedoch in ihrem Volumen beschränkt. Das Timbre ist eher kindlich, es fällt negativ auf, daß sie, als sie mit Malatesta den richtigen Tonfall für die brave Sofronia probt, hier wenig unterschiedliche Farben zur Verfügung hat.
Ernesto Ioan HOTEA scheint die Rolle erhebliche technische Probleme zu bereiten. Er forciert gerade, wenn es auf einen Spitzenton zugeht, die Töne wirken nicht wirklich angebunden, auch ein besonderes Timbre kann er nicht sein Eigen nennen. Im Spiel wirkt er ein wenig wie eine (gewollte?) Parodie von Villazòn als Sänger.
Im Falle des Malatesta mußte Mario CASSI kurzfristig einspringen. Daß mit ihm innerhalb von anderthalb Tagen nicht alle Feinheiten der sehr präzisen Regie einstudiert werden konnten, sei ihn nicht negativ anzukreiden, allerdings ist doch an seiner stimmlichen Leistung einiges zu bemängeln. Bei seinem ersten Auftritt sang er mit viel zu viel Lautstärke und Druck, so daß er wenig bot, was Pasquale von den Verzügen seiner angeblichen Schwester überzeugen könnte. Seine Stimme wies kaum Nuancen auf, alles war irgendwie gleich, so daß sich gerade im parlando kaum Komik entwickelte.
Der CHOR DER DEUTSCHEN OPER AM RHEIN unter Gerhard MICHALSKI machte seine Sache tadellos und zeige zudem viel Spielfreude an dem Konzept.
Die DÜSSELDORFER SYMPHONIKER hinterließen ebenfalls einen guten Eindruck. Nicholas CARTER hielt, nachdem er in der Ouvertüre zunächst etwas zu einseitig auf Lautstärke gesetzt hatte, das turbulente Geschehen kompetent zusammen.
Ein wirklich großer Spaß, der vom Publikum mit lautstarkem und langem Applaus gefeiert wurde, und den man sich – zumindest in der Premierenbesetzung der Titelrolle – nicht entgehen lassen sollte. MK