„Das Rheingold“ – 18. Juni 2022

Es war eine wahre Hitzeschlacht mit draußen noch 34 Grad um 19:30 Uhr. Im Zuschauerraum ließ es sich zumindest zu Beginn recht gut aushalten, welche Bedingungen auf der Bühne geherrscht haben mögen, möchte man sich nicht ausmalen.

„Ich weiß nicht was soll es bedeuten“, zitiert Loge am Anfang des Abends. Allerdings ist das nicht symptomatisch für die Produktion, erwies sich diese für eine Hilsdorf-Inszenierung als überraschend schlüssig und vielschichtig.

Einiges liegt im Argen in dieser Gesellschaft, die mit vielen bürgerlichen Attributen, ob in den Kostümen (Renate SCHMITZER) oder der Ausstattung (Bühne: Dieter RICHTER), daherkommt. Der Einheitsraum – Ist es Boudoir oder Bordell? Ist es der Salon eines Hotels? – wird mit kleinen Veränderungen in eine komplett neue Welt verwandelt. Vom (imaginären) Rheinufer zur Götterrast nach Nibelheim – und wieder zurück. Die Umsetzung der Regenbogenbrücke schließlich ist das so ziemlich Schrägste, in seiner Einfachheit aber auch mit das Genialste, das ich bisher zu diesem Thema gesehen habe.

Dietrich W. HILSDORF setzt mit seiner Inszenierung allerdings nicht allein auf das Vordergründige. Es fanden sich den gesamten Abend über Momente und Bilder, bei denen man sich fragt: Habe ich das gerade richtig gesehen? Hat er wirklich…? Dem Regisseur gelingt es hier, der Thematik Wagner und Antisemitismus mit schleichender Unterschwelligkeit zu entlarven, die die Realität perfekt spiegelt.

Die Düsseldorfer Oper fuhr eine in weiten Teilen exzellente Besetzung auf. Beginnend mit den Rheintöchtern Anke KRABBE (Woglinde), Kimberley BOETTGER-SOLLER (Wellgunde) und Anna HARVEY (Floßhilde), die nicht nur gemeinsam, sondern jede auch solistisch mit prononciertem Gesang und einer Darbietung frech, aber bar unangebrachter Süße überzeugten.

Michael KRAUS sang einen erstklassigen Alberich. Ebenso pointiert wie seine stimmliche Interpretation war die Darstellung der Figur, ausgefeilt in Gesten und Mimik bis hin zur Handhaltung und dem Humpeln. Man schwankte zwischen Widerwillen und Verständnis für den Getriebenen. Auch Mime war dank Florian SIMSON ein würdiger Vertreter Nibelheims. Der mentale wie physische Schmerz des vom Bruder Unterdrückten war in jedem der so wohlgeformten Töne fassbar.

Loge als bis ins Kleinste durchdachter Strippenzieher, von dem man nicht zu sagen vermochte, welche der Geschehnisse er bereits vorab geplant hatte, und welche ein Unfall waren, fand in Norbert ERNST vor allem dank der stimmlichen Agilität und bewundernswerten physischen Beweglichkeit einen großartigen Interpreten. Ihm zuzuhören ist ohnehin immer wieder ein Vergnügen.

Großartig ist auch mehr als zutreffend für die Fricka-Interpretation durch Katarzyna KUNCIO. Mit angenehm unaufdringlicher, aber stets wirkungsvoller Präsenz setzte sie gesanglich und darstellerisch intensive Akzente. Ihr zur Seite präsentierten Richard ŠVEDA als elegant-stimmiger Donner, Jussi MYLLYS als Froh mit einer schön timbrierten Tenorstimme und die perfekt disponierte Anna PRINCEVA (Freia) die Götterschar als langsam verkümmernde Gemeinschaft.

Die tiefen Stimmen schien eine Betriebstemperatur von mehr als 30 Grad entgegenzukommen. Sowohl Thorsten GRÜMBEL (Fasolt) als auch Sami LUTTINEN (Fafner) klangen wesentlich besser als in der Vorwoche.

Erdas Erscheinungsbild als Elisabeth I erschloß sich nicht. Vielleicht bräuchte man hier die verbleibenden „Ring“-Produktionen zum Verständnis. Susan MACLEAN meisterte ihren kurzen Auftritt recht ordentlich.

Simon NEAL hinterließ einen zwiespältigen Eindruck. Stimme und Attitüde sind weithin immer Geschmackssache. Für Wotan fehlte es mir an raumgreifender Bühnenpräsenz und stimmlicher Potenz. War die Schwäche des Göttervaters gewollt? Mag sein. Meins war es nicht.

Ähnliches gilt für das Dirigat von AXEL KOBER. Die DÜSSELDORFER SYMPHONIKER spielten recht brav, doch es fehlte an Schwung, Überschwang und Potenz. Als „Ring“-Auftakt dümpelte es aus dem Graben doch zu bieder daher.

Daß der Abend in voller Länge und mit der so exzellenten Darbietung durch das Sängerensemble der Witterung zum Trotz über die Bühne ging, war ein Glücksfall. Man hätte ihn nicht missen mögen. AHS