Aus drei mach vier…
Kann es einen schlimmeren Alptraum für einen Veranstalter geben, als am Tag der Vorstellung um sieben Uhr früh eine sms zu erhalten mit dem Inhalt, daß eines von drei Phantomen leider die Stimme verloren hat? Und kann es gleichzeitig zwei amüsantere, unterhaltsame Abende geben als diese beiden? Die Antwort auf beide Fragen dürfte „Nein“ lauten.
Die Absage von Matthew CAMMELLE war kurzfristig. Umso überraschender, daß es Earl CARPENTER gelang, nicht nur einen, sondern mit Glyn KERSLAKE und Simon BOWMAN gleich zwei Ersatzphantome zu besorgen. Natürlich waren an beiden Abenden durch das kurzfristige Einspringen hinsichtlich Programm und Besetzung notwendig, aber das änderte nichts an dem Spaß, den alle Beteiligten auf und vor der Bühne hatten.
Auf Earl Carpenter lastete nicht nur die gesamte organisatorische Verantwortung, sondern er sah sich auch noch gezwungen, bei den Ausschnitten aus „Les Miserables“ im Terzett „A Heart Full Of Love“ ungewohnt als Marius zu agieren, nachdem er wenige Minuten zuvor Javerts „Stars“ in Perfektion gesungen hatte. Wunderschön auch nach wiederholtem Hören „Race You To The Top Of The Morning“ aus „Secret Garden“, und immer wieder lachtränentreibend „I’m All Alone“ aus „Spamalot“.
Rohan TICKELL litt ein wenig unter der teilweise übersteuerten Tontechnik, war jedoch mit soviel Engagement und Verve dabei, daß sein allein „‚Til I Hear You Sing“ mehr ans Herz ging als die gesamte Rolle bei unserem Besuch von „Love Never Dies“ 2010. Die Stimme erscheint riesig und zudem verfügt der Künstler über große Entertainerqualitäten bei den Anmoderationen.
Earl Carpenter und Rohan Tickell rockten geradezu das Haus nach der Pause mit „Age Of Reason“. Simon Bowman übernahm Jean Valjeans „Bring Him Home“ und hatte einen sehr denkwürdigen Auftritt am Ende der Zugabe. Glyn Kerslake bot mit „If I Can’t Love Her“ angenehmen, vielleicht einen Hauch zu glatten Musicalgesang sowie in den Ensembles gute Unterhaltung, wobei er sich nahtlos in das allgemeine Chaos einfügte.
Matthew Cammelle ließ es sich auch nicht nehmen, am 16. Februar 2012 zumindest eine Ansage zu tätigen, die bewies, daß schon an Sprechen nicht zu denken war, geschweige denn an singen, und bei „A guy like you“ Rohan Tickell tänzerisch zu unterstützen.
Rebecca CAINE kam durch die Umstellungen zusätzlich zu einem Song aus „Sunset Boulevard“, und zeigte mit dem „Diva’s Lament“, „Primadonna“ und vor allem „This Place Is Mine“, daß sich Sopranhöhen und Koloraturen einerseits und komisches Talent andererseits bestens ergänzen. Die Adaption von Rusalkas Mondlied als „All Of My Dreams Faded Suddenly“ litt unter der unschönen englischen Übersetzung.
Das CONCERT PHILHARMONIC kämpfte gelegentlich mit den richtigen Tönen und einem überpräsenten Blech. Dirigent Anthony GABRIELE hatte ob des von den Sängern verursachten Geschehens neben bzw. hinter ihm gelegentlich Schwierigkeiten, seiner Arbeit nachzukommen, da er am Pult lachkrampfgeschüttelt zusammenbrach.
Die „Three Phantoms“ pausieren jetzt einige Zeit wegen anderer Engagements, aber es steht dringend zu hoffen, daß es spätestens im nächsten Jahr weitere Konzerte geben wird. Wir vermissen sie nämlich jetzt schon. MK